Mißbrauch wurde „Versöhnung“

■ Mann schlug seine Partnerin ohnmächtig und schlief mit ihr

Gestern vor dem Kadi: Ein Übersiedler aus der ehemaligen DDR, angeklagt, im vergangenen Jahr seine geschiedene Frau geschlagen und dann, im Zustand der Bewußtlosigkeit, sexuell mißbraucht zu haben. Beide lebten zur Tatzeit in einem Übergangswohnheim im Bremer Industriehafen.

Kirsten V. war am Vorabend des 2. November mit einer Freundin und einem weiteren Bekannten ausgegangen. Sie kam erst am darauffolgenden Tag wieder. Es kam zum Streit. Der Angeklagte holte sein Arbeitslosengeld von der Bank und ging wieder spielen.

Später am Abend erwartete der Angeklagte eine „Aussprache“. Kirsten V. wollte aber weggehen. Der Angeklagte warf sie auf das Bett und schlug sie. Möglicherweise ist sie dabei mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Die Frau wurde bewußtlos. Er entkleidete sie teilweise und schlief mit der bewußtlosen Frau, die dabei wieder zu sich kam. Anschließend alarmierte er eine Ambulanz und ließ die Frau ins Krankenhaus bringen.

Der 25jährige Maurer Hans- Dieter V. war im Oktober 1989 durch die Neiße geschwommen und auf diesem Weg in die Warschauer Botschaft gelangt. Von dort kam er nach einigen Zwischenstationen nach Bremen. Kirsten V., mit der er kurz vor seiner Flucht sieben Monate verheiratet gewesen war, nahm Kontakt zu ihm auf und kam im März 1990 ebenfalls nach Bremen. Sie lebten in einem Zimmer, es kam oft zu Streit, weil Hans-Dieter V. sein Arbeitslosengeld in Spielotheken schleppte.

Die Geschädigte, Kirsten V., zog vor Prozeßbeginn ihre Nebenklage zurück: Man habe sich inzwischen wieder versöhnt, so ihr Anwalt. Der Angeklagte selbst wollte sich zu dem, was schließlich am Abend des 2. November 1990 geschah, vor Gericht nur schriftlich äußern. Seine Aussage wurde verlesen.

„Ich tat sicherlich das Verkehrte“, so die Reuebekundung des Angeklagten, „ich wollte, daß sie aufwacht und mir verzeiht“. Das Zusammen-Schlafen sei eine übliche Methode der Versöhnung in ihrer Beziehung gewesen.

Sowohl im Plädoyer des Staatsanwaltes Wolfgang Lesting, als auch in den Ausführungen des Verteidigers Rolf Brandt galt die „Versöhnung“ zwischen Täter und Opfer und der inzwischen stattgefundene „Lernprozeß“ als Indiz dafür, daß sich ein ähnlicher Vorfall wahrscheinlich nicht wiederholen würde.

Die Anklage auf sexuellen Mißbrauch einer „Widerstandsunfähigen“ sei, so der Staatsanwalt, nicht aufrechtzuerhalten. Ohne die Tat bagatellisieren zu wollen, habe wohl eher ein „Mißverständnis“ vorgelegen. Die Körperverletzung durch die Schläge des Angeklagten wollte der Staatsanwalt jedoch bestraft wissen und beantragte vier Monate Haft auf Bewährung.

Hans-Dieter V. wurde schließlich zu einer Geldstrafe auf zwei Jahre Bewährung und 30 Tagen gemeinnütziger Arbeit in einer Behinderteneinrichtung verurteilt. Auch Richter Dieter Nordhausen setzte in seiner Urteilsbegründung auf die Lernfähigkeit und die guten Absichten des Angeklagten. „Er wollte sie aus der Ohnmacht befreien“, so seine Einschätzung der sexuellen Handlung an der Bewußtlosen.

Der Richter bedauerte, daß dem Gericht die Aussage der Betroffenen nicht zur Verfügung gestanden hatte. So könne man das Maß an Gewalt in dieser Beziehung nur schwer einschätzen. Nordhausen: „Es bleibt ein Gefühl des Unbehagens zurück.“ Das Paar erwartet inzwischen ein gemeinsames Kind.

bear/bb