US-Militärs in Bolivien eingetroffen

■ 72 US-Berater sollen die Armee des Andenstaates für die Zerstörung von Koka-Feldern ausbilden/ Mit dem Militäreinsatz gegen Boliviens Kleinbauern sichert sich die Regierung US-Finanzhilfe und wirtschaftet den Drogenhändlern in die Tasche

La Paz (ips/dpa/sip/taz) — In der bolivianischen Hauptstadt La Paz sind am Donnerstag 72 US-Militärs eingetroffen, um — so ihr offizieller Auftrag — bei der Zerstörung von Kokafeldern helfen. Die bisher in Panama stationierten Militärs sind mit schweren Waffen und modernen Funkgeräten ausgestattet.

Am Donnerstag morgen hatte das Parlament Boliviens gegen die Stimmen der Opposition dem Plan der Regierung zugestimmt, 112 US-Militärberatern zur Ausbildung der bolivianischen Armee im Land zu stationieren. Sie sollen zwei Armeebataillone in Techniken des Antidrogenkampfes unterweisen. Der Einsatz von US-Militärs war bereits vergangenes Jahr von Präsident Jaime Paz Zamora und US-Präsident George Bush beschlossen, jedoch immer wieder aufgeschoben worden.

Den Vorwurf der Opposition, in Bolivien solle eine eigene US-Militärbasis mit einem Kontingent von 500 amerikanischen Soldaten eingerichtet werden, wies der Oberbefehlshaber der bolivianischen Armee, General Jorge Pereira, zurück. Die US-Berater sollen nach Regierungsangaben nach vier Wochen das Land wieder verlassen. Die Regierung ist jedoch der Meinung, die Militarisierung des Antidrogenkampfes sei der einzige Weg, um eine „Destabilisierung der Wirtschaft und der Demokratie“ zu verhindern.

Abgeordnete wie beispielsweise Miguel Urioste von der Oppositionsbewegung „Freies Bolivien“ wiesen im Parlament darauf hin, daß rund 300.000 Kleinbauern, neun Prozent der Landbevölkerung, vom Koka- Anbau leben und arbeitslos würden, sollten die Militärs ihre Plantagen zerstören. Seit die meisten Zinnbergwerke geschlossen wurden, zählen Kokablätter zu den erfolgreichsten Exportartikeln Boliviens. Sie werden nach Brasilien, Kolumbien und in andere Nachbarländer ausgeführt und dort zu Kokain weiterverarbeitet. Boliviens Bruttosozialprodukt lag 1989 bei 600 Millionen Dollar, der illegale Koka-Export dürfte im gleichen Jahr einen Wert von etwa 1,5 Milliarden Dollar erreicht haben. Es kann deshalb nicht verwundern, daß Politiker und Militärs — oft dieselben Personen — ein starkes Interesse am Export dieser Blätter haben. Besonders interessiert sind auch die USA — aber aus einem anderen Grund: ihre Bürger sind die Hauptkunden der Kokainhändler.

Zwei prominente Bolivianer haben jüngst ihre Stellung aufgeben müssen, weil nach Meinung der Amerikaner ihr Interesse an diesem Export zu persönlich war. General Felipe Carvajal, der Chef der Nationalen Polizei, und Innenminister Guillermo Capobianco, die der Selbstbereicherung bezichtigt wurden, beteuerten zwar wortreich ihre Unschuld, traten aber trotzdem zurück, weil die USA drohten, im anderen Falle ihre Finanzhilfe an Bolivien in Höhe von 100 Millionen Dollar einzustellen.

Nun präsentieren sich Boliviens Generäle als Retter der Regierung. Durch ihren Einsatz gegen die Kokabauern beruhigen sie Washington und sichern darüber hinaus eine weitere US-Finanzhilfe von 33 Millionen Dollar (siehe taz vom 4. April). Doch sind höhere Ränge des Militärs traditionell eng mit dem Drogenhandel verknüpft. So liegt der Grund für den bevorstehenden Feldzug nicht nur in Washington, sondern auch in der Kokawirtschaft selbst. In vergangenen Jahren hatten die Flächen, auf denen in Bolivien Koka angebaut wird, so rasch zugenommen, daß der Preis für die Blätter drastisch fiel und der Gewinn aus ihrem Export scharf zurückging. Mit der Zerstörung von Kokaplantagen wird das Angebot an Blättern verknappt, so daß der Preis wieder steigt. Die Drogenhändler werden dadurch reicher, aber die Kleinbauern bleiben auf der Strecke.

So bahnt sich nun ein offener Konflikt zwischen Regierung und Bauerngewerkschaften an. Die Landarbeiter- und Bauernorganisation CSTUCB hat Straßenblockaden und Protestkundgebungen im ganzen Land angekündigt. Die Bauern seien entschlossen, ihre Lebensgrundlagen zu verteidigen; die Regierung müsse auf den geplanten Militäreinsatz verzichten, sagte CSTUCB- Führer Segundino Montevilla am Mittwoch: „Armee und Polizei werden weichen müssen.“ D.J.