Schnauzbart-Bulle auf Abwegen

■ Götz George wird Unternehmensberater/ 1 Plus wiederholt alle Schimmi-Krimis

Er ist der dienstälteste Tatort-Kommissar. Zehn Jahre lang kämpfte sich Götz George als Duisburger Kripoermittler durch 29 kriminelle Fernsehstücke, Kollege Tanner (Eberhard Feik) immer treu zur Seite. Damit soll jetzt endgültig Schluß sein. Am 27. Dezember wird der letzte WDR-Tatort mit „Schimmi“ ausgestrahlt. Und Adlatus Tanner wirft dann auch das Handtuch, denn, so Feiks Kommentar: „Dick ohne Doof ist nicht vorstellbar.“ Damit geht eine Fernsehära zu Ende.

Kein Tatort-Kommissar war so umstritten, aber auch so beliebt wie Götz George. Davon zeugen nicht zuletzt die auf den Markt geworfenen Videokassetten der Schimmi-Krimis.

In der Hitliste der Tatort-Lieblinge haben ihm zwar in den letzten beiden Jahren sein AußenseiterkollegInnen Ulrike Folkerts und Karl- Heinz von Hassel den Rang als quotenstärksten TV-Bullen abgelaufen. Die neue SWF-Kommissarin und der schnauzbärtige Fliegenträger vom Hessischen Rundfunk wurden nämlich jeweils von 46 Prozent, das heißt 18 Millionen ZuschauerInnen gesehen, während Schimanski es im Durchschnitt „nur“ auf 15 Millionen brachte. Doch sein rauhbeiniger Macho-Charme hinterließ bleibende Spuren. Von Frauenzeitschriften zum Superphallussymbol gekürt, machte George Oberlippenbärte sexy und Jeans, Sweatshirt und Schlapperjacke zum potenzstärkenden Männermode-Artikel. Tatort- Highlights wie Karin Herchers Proletenkrimi Der Pott über die Stahlarbeiterstreiks in Rheinhausen waren politische Fernsehspiele, zwar auf recht plakativ-vereinfachende Weise, aber dafür mit Massenwirkung. Mit dem Ausscheiden des Schmuddelkommissars Schimanski wird auch das Duisburger TV-Revier geschlossen.

Schimmis Nachfolger Martin Lüttge wird seinen Dienst ab Mai 1992 in Düsseldorf antreten. Der Hamburger Schauspieler soll nach dem Willen der WDR-PlanerInnen alles das verkörpern, was Moralapostel und besorgte Gesetzeshüter bei seinem prügelnden Vorgänger vermißt haben. Laut Persönlichkeitsprofil soll der neue „Kriminalhauptkommisar Bernd Flemming“ eher eigenbrödlerisch, etwas bieder, geschieden und Frauen gegenüber überaus mißtrauisch sein. Damit hat es sich im deutschen Serienkrimi endgültig ausgehurt — sieht man mal von den Machoallüren des zu kurz geratenen Klaus Löwitsch alias Peter Strohm ab.

Erotischer Lichtblick bei der neuen Tatort-Besetzung des WDR könnte vielleicht Klaus Behrendt werden, der dem Biedermann Flemming als junger Kollege zur Seite gestellt wird. Der großgewachsene Schauspieler machte zumindest optisch in dem Emmerich-Vierteiler Rote Erde eine fantastische Figur.

Über Engagements muß sich der abtrünnige Tatort-Kommissar George derzeit keine Sorgen machen. Der 52jährige Schauspielersohn — Vater Heinrich war ein gefeierter Ufa-Star —, dessen Karriere 1953 mit der Heimatschmonzette Wenn der weiße Flieder wieder blüht (zusammen mit Romy Schneider) begann, steht derzeit in Hamburg vor der Kamera.

Kir-Royale-Regisseur Helmut Dietl dreht dort einen Film über die Fälschungsaffäre beim 'Stern‘, der Anfang 1992 in unsere Kinos kommen soll. George spielt den übereifrigen Journalisten Gerd Heidemann, der sich die gefälschten Hitlertagebücher aufschwatzen ließ. Die Rolle des Schmierfinks Konrad Kujau übernimmt Uwe Ochsenknecht. Außerdem ist beim ZDF bereits der dritte Teil der George-Doppelrollenkomödie Schulz & Schulz in Arbeit.

Im nächsten Jahr vollzieht Schimmi dann als Gerechtigkeitskämpfer im Fernsehen einen kompletten Imagewechsel. Der WDR hat ihm eine Serienrolle des Unternehmensberaters „Pollock“ auf den bulligen Leib geschrieben. Als Undercover-Grüner rückt er fortan in Schlips und Kragen Ökosündern, Rüstungsexporteuren und korrupten Politikern auf die Pelle. George- Kommentar zum Pollock-Image: „Er hat eine coolere Art, reagiert zynischer, resignierter als der emotionsgeladene Gerechtigkeitskämpfer Schimanski. Das brennende Herz fällt weg.“

Sein Abgang im letzten Tatort wird sich denkbar undramatisch gestalten. Kein verblutender Schimmi in Tanners Armen, sondern ein arbeitsloser Kripobeamter steht im Dezember als Ende seiner Tatort-Karriere im Drehbuch, verriet er in einem 'Spiegel‘-Interview.

Wer sich noch einmal die Arbeit des härtesten deutschen Fernsehbullen ansehen will, erhält dazu nun bei 1 Plus reichlich Gelegenheit. Der ARD-Satellitenkanal wiederholt von heute an jeden Montag um 20.15 Uhr alle 29 Schimmi-Krimis in chronologischer Reihenfolge. Den Auftakt macht das Schimanski-Tanner-Debüt Duisburg-Ruhrpott von 1981. Regie führte Hajo Gries, der auch viele andere Schimanski-Tatorte und die beiden Kinofilme Zahn um Zahn und Zabou inszenierte. Sie komplettieren die 1-Plus-Retro. Als Nachschlag für Schimmi-Fans gibt's den Spielfilm Zahn um Zahn schon morgen um 23 Uhr in der ARD. Ute Thon