Hamburgs Grüne sind wieder eins

GAL-Mitgliederversammlung beschließt Wiedervereinigung mit dem Grünen Forum/ Innerhalb weniger Wochen wurde aus dem härtesten Fundiverband der Republik ein Realo-Verband  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Am Sonntag abend war die Sensation perfekt: Nach einer teilweise erbitterten Debatte beschloß eine Mitgliederversammlung der Grün-Alternativen Liste Hamburg (GAL) einen gemeinsamen Neuanfang mit der reformpolitischen GAL-Abspaltung „Grünes Forum“. Anschließend fand ein Masseneintritt von Mitgliedern des Grünen Forums in die GAL statt. Am nächsten Wochenende will die neue GAL ihre KandidatInnenliste für die Bürgerschaftswahl am 2.Juni aufstellen. Auch der „Frauenratschlag“, die dritte reformpolitische Gruppierung im kürzlich noch völlig unübersichtlichen grün-alternativen Organisationsdschungel Hamburgs, verzichtete daraufhin auf eine eigene Kandidatur. Gestern abend tagte bei taz-Redaktionsschluß die vierte Realo-Gang: Die „Frauenfraktion“ in der Hamburger Bürgerschaft, die vor einem Jahr fast geschlossen die GAL verlassen hatte, debattierte über die zweckdienlichste Form einer Rückkehr in die GAL. Antje Vollmer, Kandidatin für den Bundesvorsitz der Grünen, kann aufatmen: Sie hatte in den letzten Wochen das „Grüne Forum“ öffentlich unterstützt. Das Ergebnis gibt ihr Recht: Innerhalb von zwei Monaten wurde aus der Fundi-Festung GAL eine konsequent reformpolitisch orientierte Kraft. Selbstbewußt spötteln einige Mitglieder des „Grünen Forums“: „Wir haben die GAL jetzt instandbesetzt.“

Begonnen hatte dieser Prozeß vor gut einem Jahr, als der realpolitische Flügel der GAL, darunter sechs der acht Mitglieder der Bürgerschaftsfraktion, den grünen Landesverband verließen. Zwar war sich die GAL umgehend im Kampf gegen die „MandatsklauerInnen“ und „SpalterInnen“ einig — der Aderlaß spitzte die Krise der GAL jedoch weiter zu. Es kam fortwährend zu neuen Spaltungen: Mit Thomas Ebermann verließen die Hardcore-Ökosozialisten die GAL, Gregor Gysi staubte einige der wichtigsten GAL-Denker für die PDS ab. Doch auch danach wurde weiter gestritten. Zu den Mitgliederversammlungen der 2.500 Karteinamen zählenden Partei kamen gerade noch 30 bis 40 Menschen. In diese Situation des Zerfalls stieß völlig überraschend eine kleine Gruppe unter dem Kinderbuch-Etikett „Wilde 13“. Angesichts der drohenden Kandidatur von 4 bis 6 grün-alternativen Gruppierungen zur Bürgerschaftswahl setzte sie mit knapper Mehrheit eine „Wahlpolitische Erklärung“ durch, in der erstmals in der GAL- Geschichte Koalitionsbereitschaft gegenüber der SPD signalisiert wird.

Das war politisches Dynamit. Der Fundamentalisten-Flügel, jahrelang in der Mehrheit, verließ die GAL, gründete eine Alternative Liste (AL), die voraussichtlich auch zur Wahl antreten wird. Die daraufhin einsetzende Wiederannäherung zwischen Grünem Forum und GAL stieß allerdings auf heftigen Wiederstand bei Teilen der GAL. Die entscheidende Abstimmung am Sonntag fiel denn auch mit 88 zu 60 Stimmen zwar klar, aber nicht üppig aus. Redebeiträge von Mitgliedern des Grünen Forums wurden mit „Nazis raus!“ kommentiert. Die Angst vieler GALier: Das Grüne Forum bedeute einen knallharten Rechtsruck. Einer meinte gar: „Beim Grünen Forum gibt es Leute, die würden nicht einmal in der CDU Einlaß finden.“ So wird die Vergangenheit die GAL auch bei ihrem Weg in eine neue Zukunft begleiten. Der Sprung über die 5-Prozent-Hürde ist, das weiß die neue GAL, auch nach der Wiedervereinigung, kein Selbstgänger. Große Hoffnungen werden deshalb auf eine aktive Betreuung des Hamburger Wahlkampfs durch bundesgrüne Prominenz gesetzt.

In den rot-grün gesonnenen Kreisen der Hamburger SPD wird bereits ein Modell zur Ablösung des Senats gehandelt. Sollte nach der Wahl sowohl eine Koalition mit der FDP wie mit der GAL möglich sein, wird man zunächst mit der FDP koalieren, um der GAL Zeit zur parlamentarischen Wiedergenesung zu geben. Mitten in der Legislaturperiode ließe sich dann ohne Schwierigkeiten ein Krach mit der FDP herbeiführen, der den Wechsel des Koalitionspartners ermöglicht. Schließlich stand die Koalition auch ohne grüne Alternative in den letzten beiden jahren mehrfach vor dem endgültigen Bruch.