Theaterlandschaft

Als Nachtrag zu unserem gestrigen Bericht über das vom Kultursenator bei Ivan Nagel, Friedrich Dieckmann, Michael Merschmeier und Henning Rischbieter in Auftrag gegebene Gutachten zur Berliner Theaterlandschaft hier noch einige Details:

Wenn die Gutachter zu dem Ergebnis kamen, daß es künftig nur noch 14 statt bisher 19 bezuschußte Theater geben soll, dann nicht nur, weil das Steglitzer Schloßpark-Theater privatisiert werden soll. Auch das Theater im Palast im geschlossenen Palast der Republik soll nicht wiederbelebt werden. Ferner soll der Friedrichstadtpalast mit samt Ensemble dem Wirtschaftssenator übergeben werden, da die Attraktion des Hauses weitgehend im Bereich des Fremdenverkehrs liege. Gedacht ist dabei auch an eine Zusammenarbeit mit Reiseunternehmen, Hotels, evtl. Spielkasino. Gänzlich privatisert werden soll hingegen, das Kabarett »Die Diestel« und das Metropol-Theater, dem die Gutachter die Auflösung des Ensembles und eine weniger biedere Art der Unterhaltung empfehlen. Im Gegenzug soll das Theater des Westens hochsubventioniert werden.

Das Grips-Theater soll sogar hinaufgestuft werden zum Theater mit voller Subventionierung bei unverändert privater Rechtsform und Leitung. Als weitere kinderfreundliche Maßnahme schlagen die Gutachter vor, die begonnene Abwicklung des Staatlichen Puppentheaters rückgängig zu machen. Schließlich werde es zukünftig nicht leicht sein, in Berlin aufzuwachsen. Das Theater der Freundschaft soll verkleinert werden, seinen Namen ändern und ein »lustigeres Ensemble« erhalten.

Was das Deutsche Theater betrifft, so sollte den Vorstellungen des künftigen Intendanten Thomas Langhoff entsprochen werden. Er soll mit festen Regisseuren und festem Ensemble arbeiten können. Die Tariflöhne und Gagen sollten in absehbaren Zeitstufen dem westlichen Niveau angeglichen werden. Auch gegen den geplanten Bau eines Studios sei nichts einzuwenden. Für das Berliner Ensemble wird vorgeschlagen, die Tradition Bertolt Brechts fortzusetzen und »die Führung des Theaters als Familienbetrieb zu beenden«. Die Leitung könne ein Brecht- Schüler der zweiten Generation übernehmen (Berghaus, Besson, Karge, Langhoff, Palitzsch, Tragelehn). Fehlt noch das Maxim-Gorki- Theater: »Solange es mit Erfolg spielt (und nicht viel Geld kostet), sollte es so erhalten bleiben«.

Im übrigen stellen sich die Herren ausdrücklich keinen gemeinsamen Generalintendanten für die drei Opernhäuser vor. Hingegen sollte bei der Senatsverwaltung für Kultur ein Generalmanager für die Theater ohne künstlerische Kompetenz eingestellt werden. Befürwortet wird ferner die Einrichtung vierteljährlicher Opern- und Schauspielkonferenzen.

Und weil Nagel, Merschmeier, Dieckmann, Rischbieter immer noch auf Theater wie die Schaubühne schwören, der im übrigen »priviligiert« geholfen werden müsse, und es nicht auszudenken wäre, wenn diese weniger »luxuriös« zu arbeiten gezwungen wäre, finden sie es auch skandalös, daß es tatsächlich ausländische Schauspielaufführungen gibt, die nicht hier am Nabel der Welt gezeigt werden: »1990/91 sind Brook, Stein, Mnouchkine in Braunschweig, Essen, Recklinghausen, nicht in Berlin zu sehen.« Gräßlich!

Natürlich hält man da auch am Theatertreffen fest, das in der zum Gastspiel-»Theater der Nationen« umgewickelten Freien Volksbühne stattfinden soll. Das ehemalige Frontstadt-Durchhalte-Festival, das auch dieses Jahr wieder am liebsten Berliner Aufführungen prämierte, soll sogar noch erweitert werden: »In Berlin wird der Freiburger Theaterfan alljährlich erfahren, was in Rostock und Chemnitz an besonderem entsteht.« Ob das Theatertreffen dann auch dem Wirtschaftssenator unterstellt wird, sagen die Gutachter allerdings nicht. grr