Provokation der Beamten

■ Über den Widerstand der Unkündbaren gegen die "Ostversetzung"

Provokation der Beamten Über den Widerstand der Unkündbaren gegen die „Ostversetzung“

Vereinigung heißt Teilen — das war ein Spruch, aber nie ein Konsens der deutschen Vereinigung. Die deutsch-deutsche Krise ist nicht zuletzt deshalb so dramatisch, weil es keinerlei positive Signale fürs Teilen gegeben hat. Das übliche Maß an westdeutscher Taubheit hat nun ausgerechnet die Beamtenvertretung gesprengt. Der Beamtenbund empört sich gegen die Zumutung einer Zwangsversetzung in den Osten und ist nur bereit, mit sich reden zu lassen, wenn es enorme Aufwandsentschädigungen und „ruhestandswirksame“ Leistungen gibt.

Dieselbe Beamtenschaft, die effizient, realitätsblind und instinktlos die deutsche Vereinigung gemanagt hat, verlangt nun neue Privilegien, um die Konsequenzen ihrer historischen Leistung akzeptieren zu können. Sie weiß, daß sie am längeren Hebel sitzt. Die Schamlosigkeit dieses Erpressungsversuches, ihre bodenlose Infamie müßte eigentlich zu einer Debatte über das deutsche Berufsbeamtentum führen.

Man muß Ulf Finks Diktum vom „nationalen Notstand“ nicht teilen. Aber daß die flächendeckende Katastrophe im Osten nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch Abwesenheit einer öffentlichen Verwaltung und mithin das Fehlen sozialstaatlicher und rechtsstaatlicher Garantien heißt, dürfte sich herumgesprochen haben. Beamtenohren können offenbar aus den Notrufen nur „ruhestandswirksames Entgelt, Aufwandsentschädigung und Beförderung“ heraushören. Wozu haben wir eigentlich die Beamten, wozu das besondere Dienstverhältnis, die erhöhte Treuepflicht, wozu die Bestimmung, daß der Beamte dem Grundgesetz dienen muß? Für all diese Ansprüche wird der Beamte durch Unkündbarkeit und Pensionsberechtigung privilegiert. Doch der Verfassungsauftrag — die Herstellung der Einheit — schert den Beamten überhaupt nicht.

Die Milieuresistenz der westdeutschen Beamten wäre weniger gravierend, wenn im Osten der politische Spielraum vorhanden wäre, den Neuaufbau einer Verwaltung mit einer Verwaltungsreform zu beginnen. Historisch gab es ja die Chance, die Stunde Null zu nutzen, um einen schlanken, leistungsgebundenen und problemorientierten öffentlichen Dienst aufzubauen. Statt dessen wird — wie in allen anderen Dingen — auch der westdeutsche Beamtenstaat kopiert. Der Beamtenstaat zeigt jedenfalls, daß er in dieser Zeit der Krise dem Bürger nicht nur nicht die innere Ordnung und den sozialen Frieden garantieren kann. Er gefährdet sie vielmehr. Aber wer wird sich darüber aufregen angesichts eines Bundestages, in dem die Beamtenschaft über eine satte Zweidrittelmehrheit verfügt. „Besonderes Dienstverhältnis“ heißt auch in diesem Fall: nach uns die Sintflut — und vorher die Pension. Klaus Hartung