■ Hard-Ons

Auf einmal wuchsen allen skateboardfahrenden Kindern in der Straße Bärte, nur den Hard-Ons nicht. Auf einmal gingen alle punkrockliebenden Kinder frühmorgens regelmäßig zur Arbeit oder in die Uni oder auf das Arbeitsamt, nur die Hard-Ons nicht. Auf einmal heirateten alle gitarrenkoffertragenden Kinder eine Frau oder einen Mann, nur die Hard-ons nicht. Da muß noch ein Baum im Paradies gestanden haben, und die drei Australier haben ausgerechnet von dem gegessen.

Wer das Geheimnis ewiger Jugend ergründen will, dem können die Hard-Ons so manches darüber erzählen. Sie werden seit sieben Jahren nicht erwachsen, aber ganz anders als ihre Vorbilder von den Ramones, die inzwischen nicht erwachsen, aber dafür alt werden, eine ganz und gar grausame Erfahrung für Kindsköpfe, die sich unaufhaltsam Zweithaar oder Hüten nähern.

Die Hard-Ons jagen in der Zeit auf ständigem Verjüngungskurs voraus. Den Anfang machten ihre Zotenjahre 87/88, als sie etwa 20jährig rüpelhaft mit Ferkel- und Klospruch- und Fäkalhumor phantasierten. Mittlerweile treiben sie im Clearasil-Fahrwasser der ersten Collegejahre, verlieben sich wieder verschämt, lernen das schönste Mädchen von der ganzen Welt auf der Helloween-Party kennen, und machen es überhaupt wie die Sonnenuhr, bescheren sich und allen ihren Freunden nur schöne Stunden zum Mitzählen.

Manchmal ist auch ein Hauch von Wehmut unter all die Fröhlichkeit gemischt, mit der die Hard-Ons das Leben nehmen: »It's nearly the end of time, there were things we could have had, but it's nearly all gone now, will you shed a tear with me for the place that we call home, it goes on and on« (»On And On«). Das ist eigentlich eine traurige Jungsphilosophie, über das öde Leben in einer Kleinstadt mit einem Kino, einer Kneipe und einem Club. »The Last Picture Show« — wie im Film vor 20 Jahren, ein bißchen ewige Wiederkehr.

Die beste Zeit verbringen die Hard-Ons aber doch nicht die Schulbank drückend, sondern beim Gitarresaitenzerren und Fosterkannen-Stemmen auf der Bühne. Da werden fürs Live-Erlebnis um die 45 kurze, schnelle Liedchen angekündigt, die allesamt herzzerreißend schöne 3-Akkordfolgen-Melodien aus den Verstärkern zaubern. So wie Dinosaur Jr. im Urzustand, als noch nur Dinosaurier der ersten Generation waren. Aber die Hard-Ons versehen den College-Schmerz von Mascis mit einer Extraportion Metal, so wie auf Pommes ein satter Schuß Mayo gehört.

Oder eben wie die einzig wahren Ramones, nur ohne deren Verbiestertheit, die sich als Durchhaltemuß in Seele und Kehle von Joey Ramone als letztem echten eingeschlichen hat. Bei den Hard-Ons werden die Haare immer länger, die Hemden bunter, die Riffs killender und nur »Stairway To Heaven« schaffen sie noch nicht ganz nachzuspielen. Vielleicht müssen sie dafür wieder ein paar Jahre jünger werden. Aber dann spielen sie wahrscheinlich bei »Gremlins III« mit — als Purzelbaumrocker. Yummy! (Um 21 Uhr im Ecstasy) Harald Fricke