Wie interpretierbar ist Resolution 242?

■ Baker will die umstrittene UNO-Resolution durch Formulierungskompromisse umschiffen/ Kairo reagiert zögernd auf Bakers Konferenzpläne/ Von „Land für Frieden“ war in Israel keine Rede mehr

Kairo/Tel Aviv (taz) — Das Treffen sei „fruchtbar“ gewesen, hieß es übereinstimmend nach den Gesprächen von Außenminister Baker und der ägyptischen Regierung. Jedoch: Viele Hindernisse müssen auch noch überwunden werde. Der von James Baker vorgetragene und mit der israelischen Regierung abgesprochene Vorschlag einer „Regionalkonferenz“ wurde von seinen ägyptischen Gesprächspartnern, Präsident Mubarak und Außenminister Meguid, offenbar zurückhaltend aufgenommen. Der ägyptische Außenminister erklärte: „Ob nun regional oder international, der gemeinsame Nenner ist das Wort Konferenz.“ Alles übrige sei Gegenstand von Verhandlungen.

Damit ist die ägyptische Reaktion auf den israelisch-amerikanischen Vorschlag weder ein klares Ja noch ein klares Nein. Die halboffizielle Kairoer Tageszeitung 'Al-Ahram‘ kommentiert das Zwischenergebnis mit der Emfehlung, die positiven Signale der USA „festzuhalten“, bevor sie von israelischer Seite jeden Inhalts beraubt würden. Den Vorschlag einer Regionalkonferenz solle man aufmerksam studieren, solange dies nicht die Aufgabe „grundsätzlicher Positionen“ bedeute.

Kernpunkt der Differenzen ist die Frage einer Beteiligung der Palästinenser an einer solchen Konferenz. „Man kann diese Seite nicht ignorieren“, heißt es in dem Kommentar von 'Al-Ahram‘. „Es ist wichtig, daß die Repräsentanz der Palästinenser unter der Schirmherrschaft der PLO steht — wenn nicht direkt, dann indirekt.“ Kairo hält die Idee einer Regionalkonferenz offenbar für verhandlungsfähig; doch kann die Regierung schon aus Gründen der politischen Glaubwürdigkeit nicht davon abrücken, die Erfüllung der Resolutionen 242 und 338 durch Israel zu fordern.

Die umstrittene Resolution 242 wurde im November 1967 vom UN- Sicherheitsrat verabschiedet, nachdem die israelische Armee die Halbinsel Sinai, die Westbank, den Gaza- Streifen und die Golan-Höhen besetzt hatte. In ihr verlangt der Rat „den Rückzug israelischer Streitkräfte aus Gebieten, die während des jüngsten Konflikts besetzt wurden“.

Die Interpretation dieser Resolutionen war es denn auch, die während der Gespräche am Dienstag und Mittwoch zu den Hauptmeinungsunterschieden zwischen Baker und seinen israelischen Gesprächspartnern geführt hatte. Bakers Unterredung mit dem israelischen Ministerpräsidenten Schamir kehrte dem Vernehmen nach immer wieder zu dieser Frage zurück: Schamir hatte vorgeschlagen, „242 im Rahmen des Camp-David-Abkommens zu sehen“ — also als eine Forderung, die Israel durch den Rückzug aus dem Sinai bereits „erledigt“ habe. Diese Auffassung schien US-Außenminister Baker nicht akzeptabel, da sie nicht als Basis für Gespräche mit den arabischen Regierungen taugt.

Also einigte man sich auf eine „alternative Formel“: Man überläßt es den beiden Seiten, die sich im Rahmen einer Regionalkonferenz an einen Tisch setzen sollen, ihre eigene Interpretation der Resolutionen vorzutragen. Kurz: Wenn die arabischen Staaten einen israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten fordern, wird Israel einfach Nein sagen. Die vielzitierte Formel „Land für Frieden“ wurde bei den Baker- Schamir-Gesprächen offenbar sorgfältig ausgeklammert. Schamir erklärte nach seinen Gesprächen mit Baker in einem Fernsehinterview: Für die Resolution 242 „gibt es eine arabische Interpretation, eine amerikanische und eine, die für Israel ausschlaggebend ist“. Außerdem bekräftigte er erneut, daß Israel keineswegs die Absicht habe, die Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten einzustellen. Es handle sich um „eine grundlegende interne Angelegenheit Israels“. Die „alternative Formel“ könnte bedeuten, daß eine solche Regionalkonferenz zusammenbrechen würde, kaum daß sie begonnen hätte. Die arabischen Regierungen fürchten, daß es sich bei den Verhandlungen um die Konferenz um einen israelischen Trick handelt, um die Anerkennung Israels durch die arabischen Staaten ohne jede Gegenleistung zu erreichen.

Nach dem Abschluß seiner Gespräche in Kairo ist US-Außenminister Baker gestern nachmittag zu Gesprächen mit dem syrischen Präsidenten Assad in Damaskus eingetroffen. Noch heute will er dann voraussichtlich in Genf mit dem jordanischen Außenminister el-Masri zusammenkommen.

Karim el-Gawhary

Amos Wollin