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Altes Lindemann-Haus zerstört

■ Abrißbagger riß Haus im alten Ortskern Lesums ein / Auch Besetzung vor einem Jahr half nicht

Kurz nach acht Uhr kam gestern der Abrißbagger und riß rückwärtige Mauern und Dach des lange umstrittenen Lindemann-Haus in Lesum ein. Nach einem Tag war das um 1900 erbaute „altertumsähnliche“ architektonische Anwesen im alten Ortskern Lesums weitgehend dem Erdboden gleichgemacht. Damit geht das zweijährige Tauziehen zwischen Bauherren und denen, die das Haus erhalten wollten, zuende. Höhepunkt im letzten Jahr war die Besetzung im Juni 1990.

Die Oldenburger „BK Bau-und Koordinierungsgesellschaft“ erwarb das Grundstück Ende 1988 und war somit schneller als der Besitzer eines Ladens nebenan. Die Absicht der BK-Bau: Anstelle des um 1900 erbauten Lindemann-Hauses sollten Eigentumswohnungen gebaut werden.

Das brachte einige Leute auf die Palme. Neben den Nachbarn gehörte die Initiative „Bremer Stadtbild“ dazu. Sie wollte das frühere Schlachter-Domizil gerne erhalten wissen. Mitglied Carsten Meyer begründet das Ini- Anliegen: „Das Lindemann- Haus ist prägend für das Lesumer Ortsbild.“ Er ist sauer auf den Burglesumer Beirat. Seiner Meinung nach hätte man das Lindemann-Haus ohne weiteres in die Liste der „erhaltenswerten Gebäude“ in Lesum aufnehmen können. Die stellte das Kommunalparlament Anfang der 80er Jahre im Rahmen der Ortskernsanierung auf.

Meyer: „Das Haus taucht nicht mal darin auf.“ Rechtsgrundlage dafür könne § 172 des Baugesetzbuches sein. Darin steht, daß Gebäude nicht einfach abgerissen werden dürfen, wenn es ein städtebaulich wertvolles Zusammenspiel zwischen ihnen und dem Erscheinungsbild der Straße gibt. Im Amtsdeutsch: Erhaltungssatzung.

Die Burglesums Beiratssprecherin Elli Aulfes (SPD) ist nicht sonderlich empört. „Wir hätten uns auch eine Erhaltung des Lindemann-Hauses gewünscht“, meinte sie lapidar. Aber: „Mit der Erhaltungssatzung wären wir wohl nicht durchgekommen. Die gilt nämlich nicht für ein einzelnes Haus. Damit hätten wir die anderen Hausbesitzerin der Straße geknebelt.“ Elli Aulfes verweist auf einen Beiratsbeschluß von 1989, nach dem das Bauamt Bremen-Nord wenigstens auf die Erhaltung der Fassade mit ihrem verzierten Giebel hinwirken soll. Das Bauamt hat allerdings damals schon festgestellt, die Fassade „aus stadtplanerischer Sicht“ nicht erhaltenswert sei.

In das gleiche Loch in der Mauer schlägt BK-Bau-Geschäftsführer Egon Behrens: „Bautechnisch hätte wir da große Schwierigkeiten.“ Außerdem würde sich dies in höheren Baukosten von rund 200.000 DM niederschlagen.

Bauamtsleiter Christoph Steuer erklärt die rechtliche Seite. „Der Bebauungsplan für das Grundstück war vorher da. Darum gilt das alte Recht.“ Auch in Sachen Denkmalschutz ist nichts drin. Das zuständändige Landesamt für Denkmalpflege beschied dem Burglesumer Ortsamt am 21. Juli 1989: „Architekturgeschichtliche Qualitäten“ gäbe es nicht. Aber auch das Amt hätte sich, so in dem offiziellen Schreiben, den Erhalt der Fassade gewünscht.

In einer Woche wird von dem Lindemann-Haus nichts mehr zu sehen sein. Ende April sollen die Arbeiten für die Eigentumswohnungen beginnen. ubu

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