Kein Herz für den Hamburger SV

■ Die hochfliegenden Pläne des Präsidenten Hunke finden wenig Unterstützung in Wirtschaft und Politik

Hamburg (taz) — Der Mann verdient einfach Bewunderung, anders gesagt: Allen Menschen muß Respekt gezollt werden, die nichts Schwereres zu tun beabsichtigen, als aus Scheiße Gold zu machen. Jürgen Hunke, Versicherungsdealer der hypermotorischen Sorte, 47 Jahre jung und seit dem 19. November vergangenen Jahres Präsident des Hamburger SV, ist so einer. Seit seinem Amtsantritt wird er nicht müde, den HSV wieder nach vorne zu bringen, „er muß wieder zum Markenzeichen für tollen Fußball werden“.

Ein schweres Unterfangen, denn der Verein wird, so gibt Hunkes Schatzmeister Manhard Gerber gerne zu, am Ende der Saison mit zwölf Millionen Mark in der Kreide stehen, hat außer Thomas Doll kaum Spieler, die auf dem Transfermarkt höhere, haushaltsanierende Erlöse bringen würden. Und hat außerdem kein Kapital, um langfristig, wie beispielsweise Bayern München, planen zu können.

Hunkes Idee: Der HSV muß zur Aktiengesellschaft werden; marode, also kostenträchtige Abteilungen sollen aus dem Verein ausgegliedert werden. Geschehen ist dies schon mit den Volleyballern, den Karateka, den Eishockeyspielern, bald werden die Leichtathleten folgen: Die Sparten sollen sich selbst finanzieren, eigene Sponsoren auftun, sofern sie dem Leistungssport frönen möchten.

Der Rest der Geschichte ist kurz erzählt: Die Aktiengesellschaft, die Hunke & Co. wollen, darf eigentlich keine werden. Weder die Hanseatische Wertpapierbörse noch die ansässigen Geldinstitute sind bereit, mit dem Papier — Hunke will insgesamt 36.000 zum Stückpreis von 1.000 Mark auf den Markt bringen — zu handeln. Denn der Verein hat keine Sicherheiten anzubieten. Weder stünden den gewonnenen 36 Millionen Mark Eigenkapital Werte entgegen, die im Zweifels-, das heißt: Konkursfalle, verscherbelt werden können. Noch sei gewährleistet, daß die Aktie — wie alle Wertpapiere eher an Monopolygeld erinnernd — überhaupt Käufer finde.

Auch die Stadt Hamburg, die sich derzeit gerade in hektisches Wahlkampftreiben stürzt, hat sich klammheimlich von der Idee distanziert, dem HSV per Bürgschaft unter die Arme greifen zu wollen. Wirtschafts- und Finanzbehörde lehnen ein solches staatliches Sponsoring aus grundsätzlichen Erwägungen ab, der Senat mag ebenfalls nicht einsehen, daß ein privatwirtschaftliches Unternehmen immer dann nach staatlicher Hilfe schreit, wenn's ökonomisch nicht so prächtig funktioniert hat.

Hunkes letzte Drohung, Bürgermeister Voscherau habe ihm doch versprochen, Hamburg würde den HSV nicht im Stich lassen, findet auch keinen Widerhall mehr: Sämtliche Rathausparteien mögen nicht mehr (was sie sonst öffentlich stets geloben) ein Herz für den HSV haben, ein finanziell dubiosen Transaktionen offenes zumal. Nur die grün angehauchte Frauenfraktion hat sich irgendwie einverstanden erklärt mit einer Bürgschaftserklärung: „Aber nur, wenn die Stadt die gleichen Mittel den Synchronschwimmerinnen zukommen läßt.“

Grund der rathäuslichen Verweigerung ist wohl auch, daß Hamburgs Geldinstitute allein schon deswegen dem HSV keine Kreditlinien mehr zusicherten, weil Bürgermeister Voscherau Hilfe versprochen hatte: Warum also, argumentierten die Geldhäuser, sollen sie ein wirtschaftliches Risiko tragen, für das die Stadt sich in Wahlkampfzeiten zuständig erklärt hat.

Wie auch immer: Montag tagt das Vereinsplenum. 75 Prozent der Mitglieder müssen der Umwandlung des HSV in eine Aktiengesellschaft zustimmen — doch 3.800 Männer und Frauen werden kaum anwesend sein. „Mir läuft ein bißchen die Zeit weg“, klagte Hunke jüngst. Aber drei Wochen später würde eine einfache Mehrheit reichen. „Dann geht's los“, hofft er.

Und einer soll helfen, den Plan, Goodwill in Aktienkapital zu verwandeln: Uwe Seeler. Noch urlaubt dieser in den USA. Doch am Montag soll er... Soll, ja eben. Uwe Seeler zeigte sich vor Wochen skeptisch, ob dem HSV mit solchen amerikanischen Methoden geholfen werden kann. Er meint: Hunke im hanseatisch mauschelnden Hamburg gilt eh nicht als everybody's darling. Ein Senatsmitarbeiter indigniert: „Der Ton ist doch wirklich sehr vernehmlich, den Herr Hunke anzuschlagen beliebt.“

Was zählen da noch Dinge wie eine Bundesligalizenz? Die nämlich hat der HSV drei Wochen zu spät beim DFB beantragt. Verläßt der HSV also die Liga, „wenn wieder die alten Kleinkleingewohnheiten“ (Hunke) einreißen? DFB-Ligasekretär Wolfgang Holzhäuser: „Keinem Erstligisten wurde bislang die Lizenz verweigert.“ JaF