Die EG will Saddam vor Gericht sehen

■ Iraks Diktator soll vor internationalem Gerichtshof wegen Völkermord angeklagt werden/ UNO soll Rückführung kurdischer Flüchtlinge ermöglichen/ Weiter Streit um gemeinsame Verteidigungspolitik

Luxemburg (afp) — Die Partner in der Europäischen Gemeinschaft haben sich der Forderung von Bundesaußenminister Genscher nach einem internationalen Gerichtsverfahren gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein angeschlossen. Der amtierende EG-Ratspräsident Jacques Poos soll am Dienstag mit UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar Kontakt aufnehmen, damit die Vereinten Nationen die geeigneten juristischen Mittel ergreifen. Hussein müsse sowohl nach der internationalen Konvention über den Völkermord als auch wegen Kriegsverbrechen „persönlich“ zur Verantwortung gezogen werden.

Die beim EG-Sondergipfel in der vergangenen Woche vereinbarten nationalen Hilfen für die kurdischen Flüchtlinge in der Türkei und im Irak in Höhe von 100 Millionen Mark reichen nach Ansicht von Bundesaußenminister Genscher nicht aus. Diese Mittel müßten überschritten werden, sagte Genscher, ohne genaue Zahlen zu nennen. Daneben hatten die Staats- und Regierungschefs am Montag vergangener Woche 200 Millionen Mark aus EG-Mitteln an Flüchtlingshilfe angekündigt. Die EG-Außenminister waren sich am Montag ferner einig, daß alles getan werden müsse, um in der Region ein neues Flüchtlingsproblem zu vermeiden. Dies wäre „human nicht vertretbar und würde eine neue Spannungsursache in die Region bringen“, sagte Genscher. Die zwölf unterstützten den von Frankreich in den Vereinten Nationen vorgebrachten Vorschlag, die Rückkehr der Flüchtlinge nötigenfalls unter UN-Aufsicht zu ermöglichen.

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft sind weiter zerstritten, in welcher Form sie eine gemeinsame Verteidigungspolitik anstreben sollten. Vor allem Großbritannien und die Niederlande, aber auch Dänemark und das neutrale Irland wehrten sich dagegen, schon jetzt das Ziel einer gemeinsamen Verteidigungspolitik in den Vertrag aufzunehmen, der die EG zu einer politischen Union ausbauen soll. Die Verteidigungspolitik soll nach Ansicht der Briten bei der Nato verbleiben.

Während sich die Gegner einer EG-Verteidigungspolitik gegen eine Anbindung der Westeuropäischen Union (WEU) an die Politische Union wenden, forderte Frankreich eine stärkere Rolle für das einzige rein europäische Verteidigungsbündnis, dem neun der zwölf EG- Staaten angehören.

Zweiter Diskussionspunkt war am Montag die Rolle des Europäischen Parlaments. Luxemburg will in seinem von deutscher Seite als „sehr guten Ansatzpunkt“ gewürdigten Vorschlag dem Parlament in allen Gesetzesentscheidungen, für die im Ministerrat nicht Einstimmigkeit erforderlich ist, eine gleichberechtigte Mitsprache und ein faktisches Vetorecht einräumen. Neben Großbritannien lehnten vor allem Dänemark und Portugal jedoch eine stärkere Rolle für das Parlament ab. Aber auch die meisten anderen Partner wollten zunächst geklärt wissen, welche Bereiche unter diesen Abstimmungsmodus fallen.

Manche Südafrika- Sanktionen aufgehoben

Die Europäische Gemeinschaft hat die letzten ihrer 1986 gegen Südafrika verhängten Sanktionen aufgehoben. Das betrifft die Importverbote für Goldmünzen, Stahl und Eisen.

Damit folgten die Außenminister der beim EG-Gipfel in Rom im Dezember vorgezeichneten Linie. Damals hatten die Staats- und Regierungschefs bereits das Verbot von Neuinvestitionen in Südafrika aufgehoben und ein Ende der anderen Sanktionen angekündigt, falls die südafrikanische Regierung weitere Schritte zur Beendigung der Rassentrennung einleitet. Die aufgrund von UN-Beschlüssen verhängten Sanktionen wie das Rüstungsembargo sind von der Entscheidung nicht betroffen.