Aufschwung für die Springer-Presse

Berlin (taz) — Die Verlagsleitung der Bielefelder Tageszeitung 'Neue Westfälische‘ will sich mit der Treuhand-Entscheidung über den Verkauf der 'Ostsee Zeitung‘ (Rostock) an die 'Lübecker Nachrichten‘ nicht abfinden. Die ehemalige SED-Bezirkszeitung ist mit neun weiteren großen ostdeutschen Regionalzeitungen am vergangenen Samstag vom Verwaltungsrat der Berliner Treuhandanstalt zum Verkauf an 13 große westdeutsche Verlage freigegeben worden. Beworben hatten sich immerhin 37 Kaufinteressenten, allerdings sind nur die großen und einflußreichen Verlagshäuser der alten Bundesrepublik berücksichtigt worden. Für die 'Neue Westfälische‘ jedenfalls, die sich auf ausdrückliche Aufforderung der Treuhandanstalt hin um die 'Ostsee Zeitung‘ beworben und ein Unternehmenskonzept vorgelegt hatte, ist die Entscheidung aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht nachvollziehbar.

Auf Anfrage der taz hieß es aus der Verlagsleitung der Zeitung, an der die SPD zur Hälfte beteiligt ist, mit der Vergabe der 'Ostsee Zeitung‘ an die vom Axel Springer Verlag dominierten 'Lübecker Nachrichten‘ sei diesem Verlagshaus eine Monopolstellung in der Rostocker Region eingeräumt worden. Dort erscheint auch noch eine stark regionalisierte Ausgabe der 'Bild‘-Zeitung. Nach Auskunft des zuständigen Treuhandvorstands Karl Schirner hat das Kartellamt diese Entscheidung für unbedenklich gehalten. Die Bielefelder Verlagsleitung geht aber davon aus, daß dies bereits im vergangenen Jahr geschehen ist, also in Unkenntnis der mittlerweile eingetretenen Marktsituation. „Jetzt hätte das Kartellamt gefragt werden müssen“, hieß es dazu gestern. Das hat die 'Neue Westfälische‘ am Montag dieser Woche nun selbst getan. Die Zeitung rechnet sich immer noch Chancen aus, da das letzte Wort noch nicht gesprochen sei.

Wettbewerbsrechtliche Bedenken ergeben sich ebenfalls aus der Treuhandentscheidung, auch die 'Leipziger Volkszeitung‘ zu 50 Prozent an Springer zu veräußern. Der Verlag ist dort auch am 'Sächsischen Tageblatt‘ beteiligt. Treuherzig hat dazu gestern das Kartellamt erklärt, es erwarte nun den Verkauf der Springeranteile am 'Tageblatt‘.

Die SPD konnte sich gestern (bis Redaktionsschluß) noch immer nicht zu einer Reaktion auf die angekündigten Verkäufe der zehn Regionalzeitungen durchringen. Nach Auskunft der Treuhand hat die SPD in neun Fällen Eigentumsansprüche gestellt. Schirner meinte dazu am Montag, bis jetzt habe nicht festgestellt werden können, ob es sich bei den jetzt verkauften Zeitungen überhaupt um die 1933 von den Nazis enteigneten SPD-Blätter handele. Viele der Druckereien seien im Krieg völlig zerstört und an neuen Orten wiedererrichtet worden. Barbara Geier