Viel Licht um nichts

■ Ungarische Underground-Klänge als „rasende Leichenbeschau“

Vagtazo Halotkemek hießen sie vor ungefähr zwei Jahren auch schon, als sie an gleicher Stelle im Römer spielten. Rasende Leichenbeschauer soll das auf deutsch heißen, aber so ganz sicher ist sich da niemand.

Mit Bestimmtheit kann den sechs verwegenen Ungarn der nekrophilen Art aber bescheinigt werden, daß das Interesse an ihnen in Bremen noch nie so groß war wie diesmal. Nicht nur, daß der Saal recht ordentlich gefüllt war, die Medien rissen sich geradezu um Sänger Attila und Co..

Es ging mit animalischen Schreien los, und so endete das Konzert auch.

Dazwischen boten die schwarz gekleideten Ost-Europäer vor dem dunklen Publikum dunkle Musik. Gitarren kreischten, Basstrommeln rollten tiefe Klänge von der Bühne, Köpfe mit wehenden Haaren wirbelten im Scheinwerferlicht — und immer wieder Schreie. Sie durchschnitten das auf ekstatische Stimmung angelegte Liedgut mit urwüchsiger Kraft — und einer gehörigen Portion Langeweile. Die Leichenbeschauer '91 hatten von der musikalischen Komplexität der vergangenen Jahre einiges abgelegt, diesmal lief alles auf der „Inferno-Schiene“ ab.

Das Radio Bremen-Fernsehteam, das dieses Konzert für einen Besuch auserkoren hatte, ließ zwar für einige Minuten die Disko-Beleuchtung über alle Toppen einschalten, aber helfen konnte auch die bunte Light-Show nicht. Nach Beendigung der Dreharbeiten war's wieder wie vorher: Psychedelisches Gewummere bis zum Abwinken. Die beiden Gitarren waren fast nie voneinander zu unterscheiden, ihr Vortrag beschränkte sich auf kollektive Ton- Schwaden.

Einzig das Zusammenspiel von Perkussionist Endre Balatoni und Schlagzeuger Laszlo Idass entwickelte hin und wieder rhythmische Spannung. Die Rasenden Leichenbeschauer haben wir in Bremen schon weit imposanter gehört, auch ohne das aufgesetzte Gerummel für das Fernsehen. Diesmal war es nur viel Licht um nichts.

Jürgen Francke