Den Stern kannste vergessen

■ Eine Verkehrsberuhigung sorgt für Beunruhigung

Die alte Schwachhausenerin, die seit vierzehn Jahren täglich ihren Verdauungsspaziergang durch den Bürgerpark macht, weiß plötzlich nicht mehr, wie sie nach Hause kommen soll, Autofahrer halten vorsichtshalber 20 Meter vor dem Haltebalken einer roten Ampel, Radfahrer eiern irritiert und mit Vorliebe im Gegenverkehr: Wo sind wir?

Auf dem Stern, der keiner mehr ist, seit vor zwei Wochen brutale Pinselkolonnen der Straßenverkehrsbehörde die sechsstrahlige Herrlichkeit um zwei Adern amputiert und zu einer profanen Kreuzung mißgestaltet haben. Hier ist seit Montag die Sau los. Das geordnete Chaos eines gehätschelten Verkehrskindes ist der Anarchie des Bremer Autofahrers zum Opfer gefallen: Wendehämmer werden schonungslos überfahren, die Tankstellenzufahrt von Pächter Manfred Schmidt an der Holler Allee Ecke Wachmannstraße ist zur ordentlichen Seitenstraße erklärt worden: Da wird munter auf der Straßenbahnspur geheizt, bis die erlösende Abkürzung durch die neue Tanksäulenallee zweispurig breitgefahren werden kann.

Und Schuld daran sind nur die gelben Linien. „Den Stern, das kannste doch alles vergessen“, grummelt ein Taxifahrer, der seinen Stammkunden jetzt zwei Mark mehr abknöpfen muß für eine Tour über den Stern. Die Mehrkosten kommen durch wahre Pionierfahrten bislang unerforschter, verkehrsberuhigter Straßen zustande: Die Wachmannstraße ist nur noch von der Holler Allee aus Richtung Schwachhauser Heerstraße zu erreichen. Pech für Pächter Schmidt, der nach eigenen Angaben 50 Prozent Umsatzeinbußen hat, seitdem Verkehrsplaner Hinte seine zentrale Zufahrt abgehängt hat.

Vielleicht könnte Schmidt zum Verkehrslotsen umschulen, um älteren Damen über die Straße, ach was, über das Schlachtfeld zu helfen. Ein unübersehbarer Markt wächst da zwischen Hollerallee und Parkallee heran. Sogar die Studenten, die per Daumen und Seitenstreifen die letzten drei Kilometer zwischen Stadt und Uni zurückgelegt hatten, stehen irritiert mitten auf der Straße: eine rot-weiße Barriere hat ihnen den kleinen Seitenstreifen geklaut, von dem aus sie immer losgetrampt sind.

Eine Bürgerinitiative der Einzelhändler in der Wachmannstraße ist im Entstehen, die ihre Interessen Ende des Monats auf einer ersten Sitzung formulieren wird. Böse Wolken ziehen auch bei den vorfahrtsverwöhnten Radfahrern auf: Ob sie eine Interessengemeinschaft gründen werden, ist unklar. Grund genug hätten sie: Während eine Umradelung des Sterns unter normalen Kreisverkehrszuständen gerade mal zwanzig Sekunden dauerte, muß man jetzt die vierfache Zeit veranschlagen. Das entspricht einem Mehraufwand an Zeit von 400 Prozent. mad