KOMMENTAR
: Zwischen Bewegung und Partei

■ Der Spagat der AL geht trotz Strukturreform weiter

Die Alternative Liste hat am Wochenende das fast Unmögliche vollbracht: Zwölf Jahre nach ihrer Gründung hat sie endlich die seit Jahren überfällige Strukturreform. Mit der teilweisen Entmachtung der Mitgliedervollversammlung wurde nur die Konsequenz aus dem Umstand gezogen, daß dort seit Jahren ein zufällig zusammengewürfeltes Häuflein beliebige Beschlüsse fassen konnte. Bei einer Anwesenheit von meist unter zehn Prozent der Mitglieder konnten das nur noch hoffnungslose Realitätsverkenner als Basisdemokratie bezeichnen. Die Reform bleibt dennoch auf halber Strecke stecken: Zwar gibt es jetzt eine Landesdelegiertenkonferenz, die MVV bleibt aber das höchste Organ, und nur zehn Prozent der Mitglieder reichen aus, um sie einzuberufen. Weiterhin vollführt die in die Jahre gekommene »Liste« also einen Spagat zwischen Bewegung und Partei.

Zu einem ähnlichen Befund muß gelangen, wer die inhaltliche Neuorientierung unter die Lupe nimmt. So lobenswert der Ansatz sein mag, vor dem Bundesparteitag einen tragfähigen Kompromiß zu skizzieren: auch ein halbes Jahr nach der Wahlniederlage bleibt die Selbstanalyse mit Floskeln bestückt, erzwingt das Schlingern zwischen Bewegung und Partei Worthülsen, die für alle tragbar sind und desto unverbindlicher bleiben: konsequente Opposition und zugleich ein ernstzunehmender Bündnispartner als Regierungspartei, Ökologie und soziale Frage, Rot-Grün als Frühgeburt und Perspektive... Kein Zweifel: Wollen die Grünen überleben, müssen sie sich öffnen. Die Berliner Resolution mag als erstes Schrittchen gelten, mehr nicht. In Berlin beansprucht die AL die Meinungsführerschaft in der Opposition und will deshalb im traditionellen Feld der SPD — und neuerdings der PDS — wildern, der Sozialpolitik. Der Weg dorthin ist noch weit. Was fehlt, ist eine wirkliche Öffnung gegenüber den Bürgerbewegungen. Zwar findet sich in der Resolution ganz am Schluß ein schüchterner Hinweis auf die Pilotfunktion Berlins. Wer die Debatte zwei Tage lang verfolgte, hat aber trotz der Vereinigung mit den Ostberliner Grünen den Eindruck, daß viele die deutsche Einheit immer noch nicht zur Kenntnis nehmen. Kordula Doerfler