Maler und Modell

■ Eine Fotoausstellung zu Renoir

Die Ehre einer Gedächtnisausstellung wird Renoir wie schon zum 100. auch zum 150. Geburtstag nicht zuteil“, hatte ein taz-Artikel zum 150. Geburtstag des großen Impressionisten am 23 Februar 1991 bedauert. Was eine dringend gebotene und zuletzt 1985 und 1986 in London, Paris und Boston gezeigte Retrospektive seines umfangreichen Werkes angeht, hat dieses Bedauern auch nach wie vor Bestand. Die Dortmunder Galerie Utermann, spezialisert auf Handzeichnungen und Originalgrafik der Klassischen Moderne, allerdings hat trotz astronomischer Versicherungssummen für Renoir-Werke einen angemessenen Weg gesucht und gefunden, Renoir mit einer kleinen Ausstellung in Deutschland zu ehren.

Si Renoir m'était conté... ist die Schau mit 18 Fotografien überschrieben, die Pierre-Auguste Renoir im Alter von 20 und 34 Jahren, vor allem aber als gebrechlichen, schöpferisch aber ungebrochen tätigen Greis zeigen. Unter einem Sonnenschirm etwa kauert der Maler mit einem weißen Sonnenhut und aufgeklapptem Farbtubenkasten im Garten seiner Villa „Les Collettes“ im südfranzösichen Cagnes-sur-Mer vor der Staffelei und scheint die Farbe behutsam auf die gespannte Leinwand zu tupfen. Seine von Gicht und einer Gelenkkrankheit völlig verkrüppelten Hände sind mit Leinenstreifen umwickelt — nur so vermochte Renoir den Pinsel noch zu halten und zu führen.

Eine andere Aufnahme aus dem Jahr 1913 zeigt den weißbärtigen Renoir auf der Höhe seines Ruhmes in einem Lehnstuhl sitzend. Die wieder bandagierte linke Hand stützt zusammengekrampft den Kopf. Im selben Jahr wurde Renoir mit Einzelausstellungen in München und New York und mit einer großen Retrospektive in der Pariser Galerie Bernheim- Jeune geehrt. Seine Bilder hatten die 100.000-Francs-Grenze überschritten. Die Schauspielerin Tilla Durieux, Ehefrau des Berliner Galeristen, Verlegers und Impressionisten-Förderers Paul Cassirer, porträtierte Renoir 1914, fünf Jahre vor seinem Tod. Ein anrührendes Foto aus diesem Jahr zeigt das abgedunkelte Pariser Atelier des Malers, in dem die Schauspielerin im Pygmalion-Kostüm in einem Lehnstuhl sitzt. Renoir selbst ist hinter der gewaltigen Staffelei im Halbschatten nur schemenhaft zu erkennen. Er hat die Palette auf den Schoß sinken lassen und die rechte Hand ans Gesicht gelegt und denkt nach. Das immer wiederkehrende Motiv von „Maler und Modell“ ist schöner kaum abgebildet, der Widerspruch zwischen der körperlichen Verfassung Renoirs und seiner unglaublichen Schaffenskraft und Lebensbejahung eindrucksvoller kaum belegt worden.

Die Duotone-Aufnahmen stammen alle aus dem Besitz der Familie Renoir. Claude Renoir, der „Coco“ genannte Sohn des Malers, hat sie zum Teil selbst aufgenommen und bis heute nicht veröffentlicht. Zur Verfügung gestellt wurden sie jetzt von dessen Sohn Paul Renoir, der auch den einleitenden Text zum Katalog verfaßte. „Mit meinem Pinsel liebe ich“, zitiert er seinen Großvater, unter dessen Allüren und Tyrannei Paul wie sein Vater Claude und der Rest der Familie litten, um sich dann zu erinnern: „Renoir war der Malerei verfallen, und die Tyrannei dieser Liebe lastete auf seinem ganzen Leben. Seine Familie, meine Großmutter Aline und seine drei Kinder Pierre, Jean und Claude, hatten furchtbar darunter zu leiden, [...] aber einem großen Mann ist alles erlaubt.“ Ein hochwertiger kleiner Katalog bildet alle ausgestellten Renoir- Fotos aus den Jahren 1861 bis 1919 ab. Er ist für 20 Mark bei der Galerie Utermann erhältlich. Stefan Koldehoff

Si Renoir m'était conté... — Pierre- Auguste Renoir · Fotografien aus seinem privaten Leben , Galerie Utermann, Betenstraße 12, 4600 Dortmund1, Tel. 0231/575525