Scharping tendiert zur FDP

Er hat nichts gegen die Grünen, aber Regierungsfähigkeit sieht er eher mit den Liberalen/ Positive Signale von FDP-Chef Brüderle/ Auch Grüne bieten sich als Regierungspartner an  ■ Von Jo Weidemann

Mainz (taz) — Die Jusos in der Mainzer SPD-Fraktion jubelten gleich dreimal: beim erdrutschartigen Verlust der CDU, beim Wahltriumph der SPD — und beim guten Resultat der Grünen. Jetzt ist der Bann gebrochen: 44 Jahre CDU- Macht fanden ein Ende. Die Sozialdemokraten, so ist nun klar, können sich ihren Koalitionär zum Regieren nach Belieben aussuchen. „Die stärkste Partei findet immer einen Partner“, hatte der SPD-Landeschef und designierte Mainzer Ministerpräsident Rudolf Scharping vor der Wahl stets verkündet. Er hatte recht behalten.

Im Gang der SPD-Fraktion war kaum ein Vorankommen. Der Medienrummel, so erinnerte sich eine SPD-Mitarbeiterin, ist nie größer gewesen. SPD-Abgeordnete trauten den Fernsehhochrechnungen noch nicht, hielten sich mit Kommentaren zurück, telefonierten erst mal mit dem Heimatwahlkreis. Scharping ließ die Presse zappeln. Er wartete zunächst die erste sichere Hochrechnung ab, versteckte sich im Fraktionszimmer, bis sich das Ergebnis stabilisiert hatte.

„Wenn ihr bitte mal ruhig sein könnt“, waren dann Scharpings erste Worte vor der Öffentlichkeit. Dann folgte der Dank an die GenossInnen, Dank an das „Regierungsteam“, wie der SPD-Chef sein Schattenkabinett schon vor der Wahl genannt hatte. Die SPD tat gut daran, mit einem kompletten Schattenkabinett in die Wahl zu gehen. So wußten die WählerInnen, woran sie waren.

Aber mit wem nun regieren? Mit den Grünen oder mit der FDP. Scharping sagt, er wolle mit beiden verhandeln. Er neige aber, so ein Eingeweihter zur taz, zur Koalition mit der FDP. Nicht, daß er was gegen die Grünen an sich hätte. Aber der SPD-Chef wolle damit die Regierungstärke seiner Partei stabilisieren. Anders als in Hessen, so fürchten viele SozialdemokratInnen, würde die konservative Struktur von Rheinland-Pfalz Rot-Grün nicht lange tragen. Scharping aber wolle auch noch die nächste Wahl in fünf Jahren gewinnen.

FDP-Landeschef Rainer Brüderle— am Samstag noch Befürworter der CDU-Koalition — lenkte bereits gestern abend ein. Brüderles Kommentar dazu: „Die Koalition konnte nicht fortgesetzt werden...“ Da damit die Bedingung der CDU-Koalition entfallen sei, müsse nun „die Landespartei“ neu entscheiden. Schwenkt sie zur SPD, könnte dies auch eine bundesweite Wende einleiten.

Auch die Grünen, die vom Stimmenzuwachs selbst überrascht schienen, erklärten gestern ihre Verhandlungsbereitschaft. Die frischgebackene Abgeordnete Erika Fritsche sagte zur taz: „Wir haben schon vor der Wahl erklärt, daß wir zur Koalition bereit sind. Nun liegt es an Rudolf Scharping, ob es dazu kommt.“

Eine Bruchlandung erlitt der Doppeldecker der CDU-Noch-Ministerpräsident Wagner und CDU-Landeschef Wilhelm. Die Schuld daran schob Wilhelm auf Bonn. Kanzler Kohl selbst erlitt einen empfindlichen Rückschlag. Er muß fortan, ob er will oder nicht, mit de Sozialdemokraten zusammen regieren. Scharpings Gewicht wird somit weiter steigen.