Berliner AL einig im Reformkurs

Breite Mehrheiten für Erneuerung der Parteistrukturen/ Mitgliederversammlung entmachtete sich teilweise selbst/ Bewußte Zusammenarbeit mit den Bürgerbewegungen  ■ Aus Berlin Kordula Doerfler

Auch die Berliner Grünen haben am Wochenende die bisher als heilige Kuh geltende Trennung von Amt und Mandat abgeschafft. Auf einem zweitägigen Abstimmungsmarathon hat sich die Berliner Alternative Liste, die seit dem 3. Oktober 1990 mit den Ostberliner Grünen vereinigt ist und seitdem den Namen Grüne/AL trägt, zwölf Jahre nach ihrer Gründung neue Strukturen verpaßt. Im Berliner Landesverband, in dem der Flügelstreit traditionell längst nicht so ausgeprägt ist wie etwa in Nordrhein-Westfalen, gab es eine relative breite Mehrheit für die seit der Wahlniederlage am 2. Dezember vorbereitete Strukturreform, die von einer Mehrzahl der aktiven Mitglieder längst für überfällig gehalten wurde. Die Feinabstimmung der Satzungsänderungen war zwar mühsam und dauerte das gesamte Wochenende bis zum späten Sonntagabend, die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten kamen jedoch meist klar zustande.

Im einzelnen sehen die Beschlüsse vor, daß die bisherige Mitgliedervollversammlung teilweise entmachtet wird, aber immer noch das höchste beschlußfassende Gremium bleibt. Allerdings soll sie nur noch bei ganz gewichtigen politischen Fragen tagen und ist künftig nur noch ab einer Anwesenheit von mindestens 15 Prozent der Mitglieder beschlußfähig. Die Aufgaben der MVV sollen jetzt weitgehend von einer Landesdelegiertenkonferenz wahrgenommen werden, die viermal im Jahr tagen soll. Gänzlich abgeschafft wurde in Berlin der bisherige sogenannte Delegiertenrat. Er wird künftig ersetzt durch einen Landesausschuß, in dem sowohl Delegierte aus den Berliner Bezirken als auch Fraktions- und Vorstandsmitglieder sitzen dürfen. Auf dieser Ebene ist damit die Trennung von Amt und Mandat aufgehoben. Der Parteivorstand soll künftig aus sieben Personen (bisher neun) bestehen, aber keine professionellen Sprecher haben. Im Gegensatz zu anderen grünen Landesverbänden führte die AL in Berlin am Samstag mit Hinblick auf den Bundesparteitag in Neumünster auch eine inhaltliche Debatte. Eine entsprechende Resolution des eher linken Parteiflügels wurde mehrheitlich angenommen, auch von den eher realpolitisch orientierten Mitgliedern. Der Entwurf stellt einen Kompromiß zwischen den zerstrittenen Flügeln der Grünen dar und fordert eine Neurorientierung der Grünen nach dem Debakel der Bundestagswahl. „Ohne eine innere Neubestimmung werden die Grünen entweder auf das Niveau einer weltanschaulichen Politsekte oder einer kommunalpolitischen Bürgerbewegung herabsinken“, heißt es in dem Antrag. Die Berliner AL sieht die künftige Perspektive der Grünen in einer Verbindung der Ökologie mit der sozialen Frage. Bewußt wird eine Zusammenarbeit mit den Bürgerbewegungen aus den östlichen Bundesländern angestrebt. Berlin sieht sich hier in einer Pilotfunktion: Als einzigem Parlament der neuen gesamtdeutschen Republik gibt es im Berliner Abgeordnetenhaus eine gemeinsame Fraktion aus Grünen und Bürgerbewegungen.