Wirbel um den Klüngelklumpen!

■ Der Komponist Erwin Koch-Raphael über traurige, aber haltbare Zustände an der Musikhochschule

Die bremische Musikhochschule ist ins Gerede gekommen. Zwar haben sich, nach ziemlich peinlichem Hickhack um die Besetzung einer Blockflötenprofessur (s. Kasten), die Staubwolken wieder gesetzt; alte Fragen aber verlangen umso entschiedener nach Antwort. Holt man jetzt, zum Beispiel, endlich gute Leute? Oder dümpelt das unscheinbare Institut, jetzt als „Fachbereich Musik der Hochschule für Künste“ (HfK), weiter dahin, bis gar niemand mehr es haben will? Die taz sprach mit dem Bremer Komponisten Erwin Koch-Raphael, der an der Hochschule einen Lehrauftrag ausübt.

taz: Wenn Sie noch einmal anfangen könnten: Würden Sie sich an unserer Hochschule ausbilden lassen?

Erwin Koch-Raphael: Nein, nie. Niemals.

Warum nicht?

Weil kaum gute Leute da sind. Ein paar schon, aber nicht genug. Zweitens braucht man Leute mit überregionaler Ausstrahlung, Leute, die herumkommen, die einen auch anderswo empfehlen können. Ohne kommt man unmöglich weiter. Ein guter Lehrer in dem Bereich ist einer, der einen wandern läßt. Dazu muß er aber Beziehungen haben. Und da hapert es am meisten. Die Leute hier haben meist nur lokale Bedeutung, manchmal nicht einmal das. Ausnahme ist die Akademie für Alte Musik.

Ist renommiertes Lehrpersonal nicht zu kriegen?

Ich habe den Verdacht, das läuft hier, wie ja in Bremen überhaupt, nach dem Motto „Lieber Detlef!...“ Das heißt, es geht alles über...

Klüngel?

Ja, von vorn bis hinten. Die ganze Hochschule ist verklüngelt. Hier ist eine eng verfilzte Gruppe zugange, die streng verhütet, daß da jemand anderes einbricht.

Aus Furcht vor Leuten, die womöglich besser wären?

Ja, meistens ist das so. Wenn da Leute über neue Kollegen zu befinden haben, und die sind aber nicht selber gut und dadurch souverän...Für die Kunst ist das tödlich.

Nun hat die Kulturbehörde wenigstens den guten Willen, profiliertes Personal auf fünf neue C4-Professuren zu holen.

Ja gut, das wäre zwar insgesamt zu wenig, aber doch ein Anfang. Da redet man aber schon davon, die Stellen durch Teilung zu vermehren. Auf eine Stelle zwei Professoren! Welcher gute Mann, welche gute Frau käme dafür von außerhalb hierher? Und andererseits, Leute, die man haben könnte, die läßt man nicht.

Ein typisches Beispiel: der Fall Hans-Joachim Hespos. Den wollte der Fachbereich Musik nicht! Angeblich, weil er, hieß es, keine Noten schreiben könne. Einen innovativen, einen der führenden Komponisten. Ich weiß noch, daß damals ganz wüst über den geredet wurde. Den Hespos mußte also der HfK-Rektor Waller, der immerhin weiß, welche Leute man unbedingt haben muß, bei den Videokünstlern unterbringen!

Gesetzt, es gelingt jetzt, Klasse- Leute auf lukrative C4-Stellen zu setzen: müssen wir dann den Aufruhr der schlechter dotierten, der Durchschnittlichen fürchten? Bricht dann die Hochschule auf?

Das wär doch zu wünschen, daß die endlich mal aufbräche. Das Problem ist ja gerade, daß das so ein Klumpen ohne Fenster und Türen ist. Schlimmer als es ist, kann's nicht werden. Da braucht es jetzt Wirbel und frischen Wind. Jahrzehntelang hat es da so ein Harmoniebedürfnis gegeben, das hat aber auch nur für die gegolten, die brav waren.

Gibt es irgendwo Pläne, vielleicht für einen Fluchtweg in die Zukunft?

Letztes Jahr hat die Behörde vom Fachbereich Musik ein Konzept verlangt. Was sie gekriegt hat, war bloß eine Liste, ein Wunschzettel für den Weihnachtsmann. Keine Struktur, keine Funktionsmechanismen, nichts. „Opernausbildung“ stand da zum Beispiel drauf. Ein Wahnsinn! Bei den geringen Mitteln!

Was wär nötig?

Ein Profil. Schwerpunkte. Was haben wir, was andere nicht haben? Vielleicht Elektronik, vielleicht Filmmusik. Und unbedingt endlich eine Kompositionsabteilung. Das ist ja der Forschungsbereich einer Musikhochschule. Jedenfalls: ohne ein entschiedenes Profil wird, spätestens wenn Bremen in Niedersachsen aufgeht, das Ding einfach geschlossen werden. Interview: Manfred Dworschak