Die SPD-Basis neigt zu Grün

Scharping bevorzugt mit Blick auf die Bundespolitik eine Koalition mit der FDP in Rheinland-Pfalz  ■ Von Joachim Weidemann

Mainz (taz) — Auf zunehmenden Widerstand an der Basis stößt der sozialliberale Koalitionskurs des künftigen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping (SPD). In den wichtigen SPD-Unterbezirken Mainz, Ludwigshafen, Koblenz und Trier wurde gestern das auffällige Stimmensplitting bei der Wahl am vergangenen Sonntag (Erststimme: SPD, Zweitstimme: Grüne) als Signal für Rot-Grün gewertet. Einzelne SPD-Unterbezirke fürchten sogar Parteiaustritte, sollte Scharping mit FDP-Landeschef Rainer Brüderle zusammengehen.

Die rot-grüne Stimmung beschäftigte bis in den Freitag abend hinein auch SPD-Landesvorstand und Parteiausschuß. Beide Gremien sollten gestern in Mainz die weitere Marschroute der SPD in den Koaltionsverhandlungen festlegen. Ein Ergebnis, ob die SPD nun zuerst mit der FDP oder mit den Grünen über eine Koalition verhandelt, lag bis zum Redaktionsschluß noch nicht vor. Scharpings wahrscheinlicher Koalitionspartner, die FDP, berät die Koalitionsfrage am heutigen Samstag. Ein Ja der Liberalen zur SPD in Mainz würde auch einen Keil in die Bonner Regierungskoalition treiben.

Scharping stehe zwar „in ständigem Kontakt“ zur Bundes-SPD, wo ein sozialliberales Bündnis für opportun gilt, urteilte ein SPD-Funktionär aus Koblenz, doch befürworteten im Lande „Jusos und weite Teile der SPD“ ein Zusammengehen mit den Grünen. Maßgeblich für die rot-grüne Stimmung sei, „daß das SPD-Regierungsprogramm 1991 bis 96 sich am besten mit den Grünen verwirklichen lasse“. Dennoch hegt der SPDler Zweifel, die von Scharpings Vertrauten geteilt werden: „Rot-Grün würde heißen: das ganze Land von heute auf morgen total umkrempeln. Das können wir nicht.“

Basisstimmen aber legen das Gegenteil nahe: Selbst im katholisch- konservativen Trier, wo die SPD eine CDU-Hochburg eroberte, stehen die Zeichen an der Basis auf Rot- Grün. Auch Anrufe und Briefe bestätigten dies, so eine Trierer SPD- Funktionärin. Von Einfluß dürfte dabei die gute Zusammenarbeit der SPD mit den Grünen im Trierer Stadtrat sein. Kritisch dagegen die Einstellung in der Mainzer SPD-Basis. Dort haben Querelen bei der rot- grünen Zusammenarbeit im Stadtrat die Grünen als Partner vergällt. Ein Mainzer SPD-Funktionär sieht in den rot-grün gefärbten Anrufen und Briefen eine „Kampagne“ der Jusos. Grüne Persönlichkeiten, die Ministerämter bekleiden könnten, seien „doch weit und breit nicht sichtbar“. Auch mit der FDP kann sich der SPDler nicht so recht anfreunden: „Mit Brüderle zu koalieren bereitet mir körperliche Schmerzen.“ Der FDP-Chef stehe eben „häufig auf der anderen Seite, was man von den Grünen nicht sagen kann“.