Die zertanzten Schuhe

■ Voller Dampf: Mit „Defunkt“ im Modernes durch dreizehn Jahre Defunkt-Funk

Was für ein Abend! Defunkt — die aus den Angeln gehobene Funk- Musik. Schon seit 1978, als es den Begriff Crossover noch gar nicht gab. Joseph Bowie, Frontman mit Boxerformat, verlangte Mitmusikern und Publikum am Freitag im Modernes ein Steh- und Tanzvermögen ab, als gelte es, den Grateful Dead-Längenrekord zu brechen. „Wer zu meiner Musik nicht tanzt, muß ernsthaft krank sein“, hat er mal gesagt.

Nach wie vor ist Defunkt der Garant für eine schweißtreibende, bracchial zusammengemixte Verbindung aus hartem Funk und Jazz, seit der Neugründung 1988 verstärkt durchsetzt mit Hip-Hop- und Hardrockmetaphern im Stil der jüngeren schwarzen Crossover-Bands.

1984 hatte sich die Band getrennt. Joseph Bowie ging in sich, kehrte 1988 zurück und fing mit der Band, als ein „New Age Soldier“, neu an. Man mag das raushören wollen oder nicht. Seine Texte, wenn sie sich denn nicht um Sex drehen, bemühen sich schon mal um Tiefgang. Sein mit Stille-Nacht-Bläserthema umrahmtes To Live And To Die, gewidmet „den Völkern Kurdistans“, irritierte die Party im Modernes aber nur unwesentlich.

Die Band ist eine Ansammlung von Ausnahmemusikern: Bowie selber, mit angemessen scharfer Stimme, bediente wirkungsvoll die Congas und steuerte an der Posaune zusammen mit Trompeter John Mulkerin die schneidenden Jazzphrasen bei. Keyboarder Marcus Perciani und vor allem Bill Bickford an der Gitare lieferten die mehr klassischen Funk- Elemente. Drummer Kenny Martin und die exzellente Bassistin Kim Clarke sorgten für den treibenden Puls.

Brodelnder Sound, extreme, unklischierte Soli, ein wirkungsvoll eingesetzter, manchmal fünfstimmiger Gesang, dazu Bowies Bodybuilder-Sexappeal: es war ein Vergnügen der Sonderklasse, eine Schnellzugfahrt durch 13 Jahre Defunkt-Geschichte. Und ohne Pause unter Volldampf. Als es schließlich vorbei war, wirkte der Sänger frisch wie um neun. Es war aber fünf vor zwölf, ehrlich. Rainer Köster