Das Eis in Guatemala ist gebrochen

Militär und Guerillakommandanten vereinbarten in Mexiko eine Liste von Punkten, über die ab Mitte Mai verhandelt werden soll/ Dazu gehören Menschenrechte und die Frage der Agrarreform/ Zivile Regierung des Landes hat offenbar nichts zu sagen  ■ Von Ilcana Alamilla

Mexiko-Stadt (cerigua) — Die guatemaltekische Regierung und die URNG-Guerilla haben mit der Unterzeichnung der „Übereinkunft von Mexiko“ am Freitag abend zum ersten Mal ernsthafte Verhandlungen aufgenommen. Im Hotel Casablanca saßen sich hochrangige Militärs einer der repressivsten Armeen Lateinamerikas und Kommandanten der ältesten Guerilla des Kontinents gegenüber. Die Besetzung der Regierungsdelegation mit fünf Militärchefs verdeutlichtete die Schwäche der Regierung Serrano Elias, des vor 100 Tagen von nur 20 Prozent der Wahlberechtigten gewählten Präsidenten von Guatemala. Es war umso überraschender für die BeobachterInnen, daß die direkten Gegner des 30jährigen internen Konfliktes sich darauf einigten, die Vorgehensweise und elf Themen für Verhandlungen ab Mitte Mai festzulegen.

Demokratisierung, Menschenrechte, Verfassungsreform, Rücksiedlung der über eine Million Kriegsvertriebenen und die Rechte der indianischen Bevölkerungsmehrheit sind Gegenstand der Verhandlungen. Die Entmilitarisierung und die Rolle des Militärs in Guatemala werden zu den umstrittensten Themen gehören. „Die Entmilitarisierung muß wesentlich weiter reichen; die Aufstandsbekämpfung einzustellen genügt nicht, weil diese nur die letzte Phase der Militarisierung in der Gesellschaft darstellt“, sagte URNG-Kommandant Pablo Monsanto. Der Sprecher der Regierungsdelegation dagegen nannte zu Beginn der Verhandlungen die Einstellung des bewaffneten Kampfes ohne Vorbedingungen als Hauptpunkt. Man einigte sich in der gemeinsamen Abschlußerklärung darauf, vor einer Demobilisierung zunächst die sozialen Ursachen des internen Krieges zu lösen.

Dazu gehört die Landfrage. In Guatemala besitzen zwei Prozent der Bevölkerung 66 Prozent des Landes. Zum ersten Mal seit der US-Invasion 1954 wird dieses Tabuthema jetzt Verhandlungsgegenstand. Auf der Themenliste stehen also die grundlegenden Konflikte der guatemaltekischen Gesellschaft. Deshalb könne der Friedensvertrag nicht in naher Zukunft unterschrieben werden, sagte Bischof Quezada, Vermittler der Verhandlungen. Eventuell komme es aber noch im Laufe dieses Jahres zu politischen Übereinkünften.

Auf die Frage, wieso sich die Militärs nach vielen vergeblichen Initiativen der Guerilla jetzt zum ersten Mal verhandlungsbereit zeigten, antwortete der Guerilla-Kommandant Rolando Morán: „Ich habe hier gesehen, daß die Militärs versuchen, die augenblickliche Situation zu verstehen. Sie sind sich bewußt, daß sie uns nicht besiegen können.“

Kurz vor Beginn der Verhandlungen hatte die URNG eine Information ihres Geheimdienstes bekanntgegeben, nach der das Militär für den 6.Mai eine Offensive plane. Trotz des Dementis vom Militärsprecher am folgenden Tag, verdeutlicht dies, daß die militärischen Kräfteverhältnisse für den Lauf der Verhandlungen weiterhin eine entscheidende Rolle spielen.

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