Der Streß der Ökobank mit dem Geldschub

Heute vor drei Jahren nahm das Frankfurter Geldhaus seinen Geschäftsbetrieb auf/ Noch immer kommt mehr herein, als ausgeliehen werden kann/ Der „Postbank-Charakter“ bleibt ein arges Hindernis/ Erste Filiale in Freiburg noch in diesem Jahr  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Der zottelige Hund heißt Tina — und er gehört zur Ökobank wie die violett gerahmte Durchblickerbrille von Vorstandsmitglied Oliver Förster (31). In der kleinen, funktional gestylten Teeküche, zugleich Raucherzuflucht der Bankzentrale in der Frankfurter Brönnerstraße, geben Förster und Banksprecherin Jutta Gelbrich bereitwillig Auskunft über das etwas andere Geldhaus am Main — und über die geplanten Neuerungen der „TurnschuhbankerInnen“.

Mit diesem Prädikat jedenfalls werden die MitarbeiterInnen auch nach drei Jahren „Ökobanking“ noch immer von den etablierten Kollegen in den Bankentürmen der Finanzmetropole versehen. Einst konnten sie es nicht mehr hören, inzwischen jedoch sind sie stolz auf diesen Titel, auch wenn die weißen Gummischlappen in den renommierten Alternativprojekten der Republik nur noch von den Modemuffeln getragen werden.

Mit einer 1990er Bilanzsumme von rund 100 Millionen D-Mark — für 1991 sind 130 Millionen kalkuliert — steckt die Ökobank tatsächlich noch in den Kinderschuhen. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank schloß das Geschäftsjahr 1990 mit einer Bilanzsumme von mehr als 400 Milliarden D-Mark ab. Doch mit den Giganten auf dem Kapitalmarkt will und kann die Ökobank nicht in Konkurrenz treten, auch wenn sie demnächst expandiert: Die erste Filiale wird noch Ende dieses Jahres in Freiburg eröffnet.

Denn seit Januar 1990 gehört die von der Bankenaufsicht angeordnete „Selbstbeschränkung“ der Ökobank auf das Rhein-Main-Gebiet der Vergangenheit an. Für Freiburg haben sich die ÖkobankerInnen entschieden, weil sich dort, anders als in einer Großstadt, ein überschaubares Betätigungsfeld für das „Experiment“ eröffne. Etwa drei Millionen D-Mark des gesamten Finanzvolumens der Ökobank fließen schon heute aus dem Großraum Freiburg in die Brönnerstraße nach Frankfurt.

Förster: „Für uns ist das dennoch ein Sprung ins kalte Wasser. Wir müssen neue Organisationsstrukturen erproben. Und da ist es von Vorteil, daß es in Freiburg seit Jahr und Tag eine kompetente Ökobankinitiative gibt, die das Umfeld gründlich ausgelotet hat.“ Zwei Bankkaufleute werden seit Monatsfrist in der Zentrale auf ihren Einsatz in Freiburg vorbereitet. Und falls die erste Filiale dann irgendwann so erfolgreich arbeiten sollte wie die Frankfurter Publikums-Dependance im Stadtteil Bornheim, steht weiteren Filialgründungen nichts im Wege: Die nächsten „Favoriten“ auf dem Weg zur bundesweit arbeitenden Geschäftsbank sind die Großstädte Berlin, München und Düsseldorf.

Dort sollen demnächst von den regional tätigen Ökobank-Initiativen sogenannte Agenturen eingerichtet werden — Anlaufstellen zur Vermittung von Kontakten zur Zentrale in Frankfurt. Förster: „Diese Agenturen sind die Keimzellen der zukünftigen Filialen der Ökobank“ — zur Zeit gibt es insgesamt 27 real existierende regionale SympathisantInnenkreise. Und deshalb ist das von Förster und Gelbrich konzipierte Agenturmodell auch ein Tranquilizer für die ungeduldiger werdende Bankbasis quer durch die Republik, die ihre Niederlassungen alsbald vor der Haustür haben wollen.

Noch jedoch leidet die Ökobank an ihrem „Postbankcharakter“. Nahezu alle Kundenkontakte — eine Ausnahme ist die auf den Publikumsverkehr ausgerichtete Geschäftsstelle in Bornheim — laufen über die Deutsche Bundespost. Nachfragen oder Unstimmigkeiten, die bei anderen Banken im direkten Gespräch mit dem Kunden geklärt werden können, müssen schriftlich beantwortet respektive ausgeräumt werden. Und das nimmt einen nicht unwesentlichen Teil der Zeit in Anspruch.

Dazu kommt, daß sich das externe Rechenzentrum der Genossenschaftsbanken mit der Anpassung an das kontinuierlich ansteigende Kunden- und Geldvolumen der Ökobank schwer tut. So arbeiteten die EDV- Spezialisten im Rechenzentrum an der Kapazitätsgrenze, als der Golfkrieg der Ökobank im Februar zusätzliche Einlagen von fünf Millionen D-Mark bescherte. Förster: „Bei Geldschub Streß.“ Da wurden Kontenauszüge schon einmal verspätet an die Kundschaft verschickt, und Anfragen blieben auch deshalb unbeantwortet liegen, weil die Belegschaft gegen den Golfkrieg demonstrierte.

„Kein Geld für die Rüstung“, hieß die Golfkriegskampagne der Ökobank. „Kriegsgewinnler“ seien sie aber nicht; in den harten Zeiten des Golfkrieges, so Förster, hätten die Menschen ihr Geld zur Ökobank getragen, gerade weil die „normalen Banken“ direkt oder indirekt mit Rüstungsbetrieben kooperierten. Und das sei bei der Ökobank „mit Sicherheit nicht der Fall“.

Daß sich Engpässe beim Kundenservice mit einer Personalaufstockung bewältigen lassen, wissen auch die ÖkobankerInnen. Doch die Zentrale in Frankfurt platzt schon heute aus allen Nähten. Zur Zeit arbeiten hier 15 Menschen und acht weitere in der Bornheimer Dependance. Mehr als 30, so Jutta Gelbrich, seien „rein räumlich“ nicht unterzubringen. Falls also die Bank so weiterwächst wie in den vergangenen drei Jahren, müsse demnächst in Frankfurt ein neues Domizil gesucht werden. Allerdings: Der Frankfurter Bankenskyline solle kein weiterer Wolkenkratzer hinzugefügt werden, witzelt Förster — eher schon ein Ökohaus für die Ökobank, „damit zusammenkommt, was zusammengehört“.

Nach den Personalquerelen um die ehemaligen Vorstandsmitglieder Franz Lässig und Hans-Peter Schreiner scheint sich die Ökobank auch an der Führungsspitze konsolidiert zu haben. Lässig und Schreiner, die diverse Großkredite über insgesamt zwei Millionen D-Mark in den Sand gesetzt hatten, schieden im Verlauf des vergangenen Jahres „einvernehmlich“ aus der Bank aus. Noch bis zum Dezember führt Förster die Bank alleine, danach wird Gerd Rump (58) den Vorstand satzungsgemäß komplettieren. Noch arbeitet der „Oldtimer“ als Vorstandsmitglied bei der Allgemeinen Privatkundenbank, einem Ableger der Berliner Bank, die sich wiederum im Mehrheitsbesitz des Hauptstadtsenats befindet. Das Engagement bei der Ökobank ist für den Mann, der eigentlich in den Vorruhestand gehen wollte, eine „spannende Herausforderung“. Ihn reizt es, seine Erfahrungen in ein junges Team einzubringen: „Ich will mit dazu beizutragen, daß die Verbindung von Ökonomie und Ökologie ein Erfolg wird.“

Nach den Vorstellungen von Oliver Förster soll die Bank nach dem Einritt von Rump von einem paritätisch besetzten Führungsgremium geleitet werden. Die Prokuristinnen Marion Amelung und Roswitha Beck werden — zusammen mit den Vorständlern Förster und Rump — das Leitungsquartett bilden. Damit, so Jutta Gelbrich zufrieden, sei die ökobank die einzige Bank auf der Welt, deren Führungsspitze zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehe.

Und die geht ihren Weg: Hatten im Gründungsjahr 1988 rund 11.000 KundInnen ein Konto bei der Ökobank, so sind es im laufenden Geschäftsjahr bereits 27.000. Im abgeschlossenen Geschäftsjahr 1990 wuchs das Kreditvolumen von 14,7 Millionen D-Mark auf 30,7 Millionen D-Mark an — Tendenz weiter steigend. Doch das Problem des mangelnden Kreditabflusses haben die ÖkobankerInnen noch immer nicht im Griff. Im alternativen Wirtschaftsbereich gestalte sich die Kreditwürdigkeitsprüfung eben komplizierter als bei „normalen“ Kreditnehmern. Immerhin schulde die Bank ihren Genossinnen und Genossen einen sorgfältigen Umgang mit den anvertrauten Geldern. Darüberhinaus stoße sie trotz steigender Kreditnachfragen an ihre personellen Grenzen, denn auch die bestehenden Kreditengagements müßten „gepflegt, verwaltet und überwacht“ werden. Deshalb könnten die KundenbetreuerInnen immer nur eine begrenzte Anzahl von Kreditanfragen beantworten.

Da aber die Ökobank, wie jede andere Bank auch, ihre Gewinne aus den Kreditzinsen schöpft, weist die Bilanz noch keinen Gewinn aus. „Passivüberhang“ wird dieser Zustand genannt, doch die Ökobank, so Förster, arbeite hart an der Umkehrung der Verhältnisse. Einstweilen werden überschüssige Einlagen bei kooperierenden Banken gegen Zinsen „gebunkert“, und die ÖkobankerInnen kaufen auch schon mal ein Aktienpaket, um die „betriebswirtschaftlichen Grundlagen zur Umsetzung des Förderauftrags zu schaffen“ (Förster). Auch bei der Anlage von Geldern läßt sich die Ökobank nicht ausschließlich von Renditegesichtspunkten leiten, sondern wählt Anlageformen, die ihren eigenen Grundsätzen entsprechen.

Wenn vergebene Kredite „platzen“, wird allerdings auch die Ökobank zur normalen Geschäftsbank. Dennoch, so Förster, treibe man ausstehende Forderungen „nicht mit dem Baseballschläger“ ein. Auch würden Forderungen prinzipiell nicht an Inkassofirmen verkauft. Im Gegenteil: „Falls der Kreditnehmer wirklich Pech gehabt haben sollte, lassen wir auch mit uns reden.“ Doch wenn sie von einem KreditnehmerInnen mit gefälschten Bilanzen oder geschönten Geschäftsberichten „gelinkt“ wurden — alles vorgekommen —, kennen auch die ÖkobankerInnen keine Gnade: „Bis in den Schuldenturm“ wird der „Stinkstiefel“ dann getrieben. Denn im alternativ-ökologischen Wirtschaftsbereich gehe es genauso knallhart zu, wie im „normalen“ Wirtschaftsleben.

Und weil im „normalen“ Wirtschaftsleben die „Internationalismusdebatte“ im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt mit Verve geführt wird, sind die Ökobanker auch dabei, sich europaweit zu liieren. Freundschaftliche Bande habe man zu Alternativbanken in der Schweiz, den Niederlanden und in Dänemark geknüpft. Bei der holländischen Partnerbank haben die Frankfurter einen größeren Geldbetrag „geparkt“, der im Bedarfsfall abgerufen werden kann. Eine Vernetzung der europäischen Alternativbanken ist ohnehin die Voraussetzung für weitere Auslandsaktivitäten. Bisher hat die Ökobank allerdings nur einen einzigen Auslandskredit vergeben — an ein alternatives Projekt in Österreich.