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„Ich steh' da als Grete Meier!"

■ Die „Silberlocken“, bremisches Altentheater, in den Endproben für ihr TV-Debüt / Als „Junge Talente“ morgen in der „Schmidt-Show“

„Ich bin die Lili aus Rostock!“ Aha, hallo, und wie lange schon hier? Huuu, das stimmt doch gar nicht, sie ist doch Christa und aus Bremen! Die Lili aus Rostock, die spielt sie ja nur im Stück! Christa biegt sich vor Lachen: hat schon wieder hingehauen! Der Sigmar Börner ist auch drauf reingefallen! Und bei dem war das noch besser, weil der ist der Regisseur von der „Schmidt-Show“ und war letzte Woche da. Der hat sich nämlich ein paar Szenen von Christa und den „Silberlocken“ angekuckt, weil die „Silberlocken“ in seiner „Schmidt-Show“ am Samstagabend auftreten sollen. Und das ist morgen! Jetzt muß man schnell noch ordentlich proben, damit die Einsätze stimmen und der Chor nicht immer vor sich, sondern in's Publikum kuckt und sie sich überhaupt nicht alle benehmen wie privat, sondern wie Figuren, also Mimen. „Ich steh' da als Grete Meier und nicht als Rita, das hilft“, sagt sich Rita und hat schon ziemlich rote Backen vom Wieder-und Wieder-und Wiederholen der Szene, wie sie den Chor anführt und gleichzeitig singen muß „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“.

Die „Silberlocken“ sind das, was man ein „Altentheater“ nennt. Das klingt ein bißchen nach unseriösen Senioren und ist es auch. Die sechs — wie soll man sie nennen: alte Damen, ältere Frauen, junggebliebene 60jährige oder dergleichen Umundumschreibungen? — die sechs zwischen 50 und 76 sind so erfrischend, daß man sich ganz abgestanden fühlt. Petra Hauke und Claudius Joeckel, die beiden Theaterpädagogen auf VHS-Honorar, müssen da durchaus zur Sammlung blasen.

Diesmal sind alle noch aufgedrehter wegen morgen und müssen darum die Spannung weglachen. Elli lacht aber hier sowieso immer auf Vorrat für die ganze Woche. „Denk dran, du bist ein Monster!!“, ruft Rita Elisabeth zu, weil die Schmidt-Show diesmal das Motto „Mütter, Monster, Mutationen“ hat. Und schließlich passen die „Silberlocken“ da gut, weil sie sich in ihrem selbstgemachten Stück „Tempo 60“ eines Tabuthemas angenommen haben: der Liebe zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann. In der entscheidenden, also der morgigen Szene liegen Elisabeth als schickes Delchen mit rotem Boa-Hut und Gerda als Wölfi mit Lederjacke auf dem Sofa und streicheln sich. Und dahinter steht der Chor der Giftnattern und zischelt, was der Neid hält. Daß Gerda eine Hosenrolle gibt, erklärt sich aus dem Umstand, daß es keine Männer bei den Silberlocken gehalten hat. Am Anfang, im Herbst '89, als die Volkshochschule theaterbegeisterte Senioren suchte, da gab's wohl mal welche unter den ersten 60. Aber bei soviel starken Frauen... Elli lacht. Ursula spielt darum auch einen Mann, Herrn von Werthheim. Obwohl: „Geht doch eigentlich gar nicht mit dem Vorbau“, sagt sie und grinst vergnügt, als ob's doch ginge.

Wie ist das eigentlich mit dem Darstellen und dem Schauspielen? Elli war früher Nählehrerin und kennt, sagt sie, von daher das Stehen vor Publikum. Christa ist praktizierende Krankenschwester und wollte schon immer Schauspielerin werden. Rita muß mit ihrem Temperament irgendwohin. Sie hat auch beim NDR angerufen, als die wieder „Junge Talente“ gesucht haben. Und erstmal kam nix und kam nix und dann plötzlich der Anruf letzte Woche von der „Schmidt-Show“, da hat sie sich vor Schreck mit Grete Meier gemeldet!

Aber jetzt nicht trödeln, Mädels, das Lied sitzt noch nicht. Also nochmal ab hinter den Vorhang und rauskommen im Gänsemarsch. „Und das alles für zweieinhalb Minuten“, stöhnt Rita und meint es nicht so und ob ich auch kucke. Na klar, Mädels, sowas sieht man nicht alle Tage. Ich wünsch' Euch vorher noch 'ne super Hafenrundfahrt und bin sicher wie ihr, daß es nicht regnet. Claudia Kohlhase

Morgen um 22 Uhr auf N3

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