S. Albrecht an Haig-Anschlag beteiligt

Ehemaliges RAF-Mitglied gestand gestern in Stammheim ihre Beteiligung an dem Anschlag auf den damaligen Nato-Oberkommandierenden Alexander Haig/ Gruppendruck habe Ausschlag gegeben  ■ Aus Stammheim Erwin Single

Die Situation in der Gruppe sei für sie immer recht schwierig gewesen, „weil ich den Anforderungen innerlich und äußerlich nicht entsprach“. Susanne Becker, geb. Albrecht, deren Konterfei nach dem Mord an dem Bankier Jürgen Ponto nicht nur die RAF-Fahndungsplakate der Polizei, sondern auch blutrot das Titelbild des 'Spiegels‘ zierte, erweckt nicht gerade den Eindruck einer abgebrühten Top-Terroristin. Daß sie nach der „Aktion Ponto“ dennoch weitermachte und sich auch an weiteren RAF-Aktionen beteiligte, begründet sie heute mit der Angst vor einem Ausscheiden: „dann falle ich in ein Nichts“, habe sie gedacht und deshalb „krampfhaft versucht, an der Gruppe festzuhalten“.

Am dritten Tag ihrer Einlassungen vor dem Oberlandesgerichts Stuttgart im berüchtigten Stammheimer Prozeßbunker ist Susanne Albrecht sichtlich bemüht, ihre Randständigkeit im Innenleben der Guerilla deutlich zu machen. Als „Schutzbehauptung, um weiter akzeptiert zu werden“ habe sie „vorgegeben“, an weiteren Aktionen teilnehmen zu wollen — so etwa am knapp gescheiterten Sprengstoffanschlag auf den Nato-Oberkommandierenden Alexander Haig am 25.Juni 1979.

Nach dem Ponto-Mord sei Susanne Albrecht regelrecht psychisch zusammengebrochen, hatte nicht nur Peter-Jürgen Boock die unsichere RAF-Kantonistin entlastet. Sie selbst gab an, sich in einer „emotionalen Situation der Kälte und Leere“ befunden zu haben. Doch die Bundesanwaltschaft (BAW) hegt bis dato Zweifel an der in Depressionen verfallenen und zu keinerlei Terror-Aktivitäten mehr fähigen RAF-Angehörigen: Sie soll laut Anklageschrift neben den Anschlägen auf die Karlsruher Bundesanwaltschaft (1977) und General Haig noch an Banküberfällen beteiligt gewesen sein.

Bereits nach ihrer Verhaftung hatte die Hamburger Anwaltstocher den BAW-Ermittlern eingestanden, mehrmals die Fahrtstrecke vom belgischen Mons nach Orbourg ausgespäht zu haben. Zur Zeit des Anschlags befand sich Susanne Albrecht jedoch bereits wieder in Paris.

Der Entschluß, die „Aktion Hengst“ durchzuführen, fiel offenbar nach heftigen Selbstkritik-Diskussionen in einem palästinensischen Trainingscamp im Südjemen. Dorthin hatten sich im November 1978 die RAF-Mitglieder dezimiert und reichlich frustriert zurückgezogen, um, wie Susanne Albrecht beschreibt, aus dem desolaten Zustand herauszukommen und wieder als Gruppe zusammenzufinden. Willi- Peter Stoll und Michael Knoll waren kurz zuvor bei Schießereien ums Leben gekommen; das Quartett Mohnhaupt, Wagner, Hofmann und Boock gerade aus jugoslawischer Auslieferungshaft entlassen worden. Aus dem Nahen Osten zurückgekehrt, bestand offenbar Handlungszwang. General Haig, früher bereits einmal als Entführungsopfer ausgespäht, sollte mit einer Panzerfaust aus einem Wäldchen heraus in seinem vorbeifahrenden Wagen getötet werden. Der Plan wurde bald zugunsten eines Bombenanschlags unter einer Brücke fallengelassen. An dem Anschlag waren angeblich Werner Lotze, Sieglinde Hofmann und Rolf Klemens Wagner beteiligt; Wagner war laut Albrecht für die Aktion „letztendlich verantwortlich“. Auch Susanne Albrecht hatte sich angeboten — nach ihrer Rückkehr aus Aden sah sie darin ihre „letzte Chance, sich in der Gruppe zu bewähren“. Der Rest lehnte ab; mit ihr oder Silke Maier-Witt zusammen hätten die anderen nicht mitgemacht.

Für Susanne Albrecht, die sich selbst als „Depot-Tante“ titulierte und in der Gruppenhierarchie ganz unten angesiedelt war, bestand nach über einjähriger „Ruhephase“ schon aus dem Gruppendruck heraus die Notwendigkeit, wieder an einer Aktion teilzunehmen.

Vor die Alternative gestellt, an Geldbeschaffungsaktionen via Banküberfall oder an der Vorbereitung des „Tötungsanschlags“ auf Haig teilzunehmen, entschloß sie sich für letzteres: an einem Raubüberfall hätte sie nicht teilnehmen können, weil sie dabei vielleicht in Zwang geraten wäre, eine Waffe zu benutzen.