Die schnelle Welle

■ Siegeszug der Microwelle auch in deutschen Küchen/ Wirkung kaum erforscht

“Eine flotte Ergänzung zum Herd“ rühmt Verbraucher Aktuell, „Die Zeitung für den kritischen Konsumenten“. „Die Aufrüstung der Küche. Überflüssig und unnötig“ urteilt das Info der Verbraucher Initiative. Seit 1986 ist der Absatz der Strahlenöfen für die schnelle kleine Mahlzeit auch in der Bundesrepublik sprunghaft angestiegen. Geworben wird vor allem mit einer Verkürzung der Garzeiten um bis zu 70 Prozent und einer Energiereinsparung bis zu 80 Prozent. Das gilt aber, so die Verbraucher Initiative, nur für kleine Mengen. Ab zwei Portionen übersteigt der Energieverbrauch den der Kochplatte beträchtlich.

Mit der Microwelle boomt auch der Umsatz von Tiefkühlfertiggerichten, der schlechthin idealen Nahrung für den Kurzwellengrill. Die Energiesparbilanz der Microwelle verschlechtert sich enorm, wenn man die Energie fürs Tiefkühlen mitrechnet. Zurück bleiben außerdem Berge von Plastik-und Aluminiummüll.

Die von der Industrie angepriesene Vitaminschonung wurde in Versuchen zum Teil widerlegt. Mit Microwellen sterilisierte Lebensmittel zeigten einen gegenüber anderen Verfahren „bemerkenswerter“ Verlust von Vitamin C und Vitaminen der B-Gruppe.

Schwingende Moleküle

Die elektromagnetischen Microwellen können Glas, Porzellan, Keramik, Pappe, Papier und Kunststoffe durchdringen ohne die Stoffe selbst zu erwärmen. An Metall dagegen prallen sie ab. Treffen die Wellen auf ein Lebensmittel, können sie bis zu zehn Zentimeter darin eindringen und versetzen vor allem die Wassermoleküle in Schwingungen. Dadurch entsteht Reibung, die Wärme für den Garprozeß erzeugt. Die Speise wird also von innen gegart und nicht wie beim üblichen Kochen über die Herdplatte von außen. Das Ergebnis ist auf den ersten Blick dasselbe.

Sieht man genauer hin, bleiben allerdings etliche Fragen offen. Die gleiche Wirkung wie bei einer Möhrrübe oder einem Stück Putenfleisch hat die Microwelle auch auf den menschliche Organismen: die elektromagnetischen Strahlen versetzen körpereigene Moleküle in Schwingungen und erwärmen sie, ohne daß der Prozeß von außen wahrgenommen wird. Dieser Effekt wird gezielt in der medizinischen Therapie eingesetzt, ist als Nebenwirkung der Kochgeräte allerdings unerwünscht. Die Strahlung soll deshalb durch den Metallkorpus der Herde und besondere Schließvorrichtungen abgeschirmt werden. Für die zulässige „Leckstrahlung“ hat das Bundesgesundheitsministerium Grenzwerte erlassen, bei deren Einhaltung Microwellenherde gesundheitlich völlig unbedenklich sein sollen.

Der Diplombiologe Andreas Kühne vom Institut für Mensch und Natur in Verden, einer der wenigen, die in der Bundesrepublik über die Wirkung von Microwellen forschen, sieht das anders: „Die Grenzwerte in der Bundesrepublik sind im internationalen Vergleich die höchsten. In den USA, Schweden und Frankreich, vor allem aber in der Sowjetunion, liegen die Werte wesentlich niedriger.“

Kühnes Kritik: Die Grenzwerte setzen einen gesunden Menschen mit „funktionierender Thermoregulation“ voraus. Für Herz-und Kreislaufkranke zum Beispiel setze die Gefährdung viel früher an. Im Gegensatz zum Bundesgesundheitsamt geht Kühne davon aus, daß neben den erwärmenden (thermischen) Reaktionen auch athermische Wirkungen von der Microwelle ausgehen, die zu noch wenig erforschten Veränderungen der Zellsubstanz führen. „Die Strahlung ist nicht energiereich genug, um den Charakter von Atomen zu ändern“, so Kühne, „sie kann aber die Informationswirkung zwischen den Zellen verändern.“ Beobachtet wurden bisher zum Beispiel Veränderungen in den Mustern von Aminosäuren der Erbsubstanz, bei gleichbleibendem Eiweißgehalt. Kühne arbeitet zur Zeit an einer eigenen Versuchsreihe, mit der bewiesen werden soll, „daß Wasser nicht gleich Wasser ist.“ Teststreifen mit Kressekeimen hängen in Wasserbehältern, von denen einige mit einem roten M gekennzeichnet sind. Dieses Wasser wurde zuvor mit Microwellen erhitzt. „Chemisch unterscheidet sich dies Wasser in keiner Weise von dem herkömmlich erhitzten“, erläutert Kühne. „Wir wollen herausfinden, ob es trotzdem unterschiedliche Wirkungen auf das Wachtum der Kresse ausübt." In zwei bis drei Monaten sollen erste Ergebnisse vorliegen. asp