Bei Kritik: Ausweisung!

■ Britischer Journalist soll der Türkei verwiesen werden

Dublin (taz) — Der Nahost-Korrespondent des britischen 'Independent‘, Robert Fisk, ist am Donnerstag im ostanatolischen Diyarbakir verhaftet und über Nacht verhört worden. Der stellvertretende Auslandschef des 'Independent‘, Harvey Morris, sagte gestern zur taz, die türkischen Behörden hätten Fisk eine Frist von 24 Stunden gesetzt, um das Land zu verlassen. Die Regierung in Ankara wirft Fisk eine „bewußt falsche Berichterstattung“ vor. Am Dienstag hatte der 'Independent‘ einen Artikel abgedruckt, in dem Fisk über Plünderungen türkischer Soldaten in kurdischen Flüchtlingslagern berichtete. Die Soldaten hätten sich die Hilfsgüter unter den Nagel gerissen und an die Flüchtlinge verkauft. Murat Sungar vom türkischen Außenministerium sagte, Fisks Behauptungen seien erfunden und Ausdruck von Vorurteilen.

Fisk arbeitete bis Ende der siebziger Jahre als Korrespondent in Nordirland und lebt seitdem in Beirut. Vor kurzem erschien sein Buch Pity The Nation über den Bürgerkrieg im Libanon. Während des Golfkriegs war Fisk einer der wenigen britischen Reporter, die sich nicht der Selbstzensur unterwarfen, sondern kritisch über die alliierte Kriegsführung berichteten und die Opfer unter der irakischen Zivilbevölkerung nicht aussparten.

Fisk wurde am Donnerstag in seinem Hotel auf Anordnung des Regionalgouverneurs in Diyarbakir, Hayri Kozakcioglu, von drei Polizisten einer Sondereinheit verhaftet und ins Polizeipräsidium gebracht. Es gelang ihm, während der Festnahme in der Redaktion in London anzurufen. Fisk sagte, er sei äußerst besorgt über die Beschlagnahme seines Adreßbuchs, in dem seine Kontaktpersonen in der Türkei verzeichnet sind.

Kurz zuvor war der Korrespondent des 'Daily Telegraph‘ in Diyarbakir verhaftet und zwei Stunden verhört worden, weil man ihn offenbar mit Fisk verwechselt hatte. Außerdem wurden 30 britische Soldaten am Donnerstag aus der Türkei in den Irak abgeschoben, weil sie angeblich den Landrat der Grenzprovinz Hakkari, Erdogan Ülker, mit Waffen bedroht hätten. Die türkische Regierung fordert von der britischen Botschaft eine offizielle Entschuldigung. Ralf Sotscheck