Pläne für die Pflegeversicherung

Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen monatlich zwei Prozent des Bruttolohns in Pflegeversicherung einzahlen/ Vielen Pflegebedürftigen wird dennoch nur ein mickriges Taschengeld bleiben  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) — Bundesarbeitsminister Blüm hat jetzt erstmals seine Pläne für eine künftige Pflegeversicherung schriftlich konkretisiert. Was der Arbeitsminister zuvor schon mündlich in etlichen Reden formuliert hatte, brachte er jetzt in einem Schreiben an die Pflegekommission der CDU zu Papier. Nach den Vorstellungen Blüms sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber monatlich zwei Prozent des Bruttolohns in eine Pflegeversicherung zahlen, die den gesetzlichen Krankenversicherungen angegliedert werden soll. Bei einer vorgesehenen Beitragsbemessungsgrenze von 4.875 Mark Bruttolohn würden die monatlichen Beiträge zu diesem Pflege-Fonds maximal rund 50 Mark betragen.

Für Arbeitslose soll die Bundesanstalt für Arbeit den monatlichen Beitrag in diese neue Versicherung zahlen, Rentner sollen die Hälfte ihres Beitrags selbst berappen, für die andere Hälfte sollen die Rentenversicherungsträger aufkommen. Ehegatten und Kinder mit geringem oder gar keinem eigenen Einkommen sollen automatisch mitversichert sein.

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen hatten CDU/CSU und FDP im vergangenen Herbst dem Bundesarbeitsministerium auferlegt, bis spätestens 1992 einen Gesetzentwurf für eine Pflegeversicherung vorzulegen. Ob es aber eine solche Versicherung überhaupt geben soll, ist jedoch bei den Koalitionspartnern heftig umstritten: Die FDP ist strikt gegen eine gesetzliche Versicherung und setzt auf eine private Absicherung des „Pflegerisikos“. Auch der CDU- Wirtschaftsrat und die CDU-Mittelstandsvereinigung laufen Sturm gegen die Pläne und wehren sich vor allem gegen einen anteiligen monatlichen Pflichtbeitrag der Arbeitgeber. Die Pflegeversicherung, die von Sozialpolitikern schon lange diskutiert wird, dient vor allem der Entlastung der Sozialhilfeträger von den in die Höhe schnellenden Pflegekosten. Derzeit sind allein in den alten Bundesländern mehr als zwei Millionen Menschen pflegebedürftig, 630.000 Personen gelten als schwerstpflegebedürftig. Nach bisherigen Prognosen werden bis zum Jahr 2000 rund 20 Prozent der Bevölkerung als Pflegefälle anzusehen sein. Da die Kosten insbesondere für die Betreuung in Alten- und Pflegeheimen die Einkünfte der Betroffenen inzwischen weit übersteigen, müssen zunehmend die Sozialhilfeträger, d.h. die Städte und Gemeinden, einspringen.

Sowohl das Blüm-Konzept als auch das schon länger vorliegende Modell der SPD zur Pflegeversicherung umfaßt jeweils nur die reinen Pflegekosten. Für Unterkunft und Verpflegung sollen die Pflegebedürftigen weiter selbst aufkommen. Allein diese sogenannten „Hotelkosten“ liegen jedoch derzeit bei einer Heimunterbringung bei durchschnittlich 1.150 Mark. Vielen Alten, Kranken oder Schwerbehinderten würde deshalb trotz Pflegeversicherung nur noch ein mickriges Taschengeld bleiben, weil ihre Rente von diesen Unterbringungs- und Verpflegungskosten geschluckt würde. Die jetzigen Vorstellungen Blüms decken sich in den Grundgedanken mit den Plänen der SPD, die noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Pflegeversicherung einbringen will. Die SPD sieht jedoch keine Einkommensbemessungsgrenze bei dieser Versicherung vor. Das SPD-Modell bemißt außerdem die monatlichen Beiträge zur Pflegeversicherung auf 1,4 Prozent des Buttolohns, während Blüm von 2 Prozent ausgeht.