Noch kein euro-arabischer Dialog

■ Neue Reihe im Haus der Kulturen der Welt begann mit Kontroversen zwischen arabisch-islamischem und europäisch-christlichem Kulturkreis

Tiergarten. Drei Stunden lang versuchte der marokkanische Soziologe und Schriftsteller Abdelkébir Khatibi am Wochenende, einem etwa 80köpfigen Publikum den arabisch- islamischen Kulturkreis näherzubringen. Eingeladen worden war er vom Haus der Kulturen der Welt, das mit der neuen Veranstaltungsreihe Ein-Blicke Sichtweisen verschiedener Kulturen zu aktuellen Themen präsentieren will. Konzipiert noch zu Zeiten des Golfkrieges, lag nahe, Unkenntnis und Unverständnis zwischen arabischem und europäischem Kulturkreis zu thematisieren. Unter Leitung von Ex-taz-Redakteur Thomas Hartmann finden ab sofort an jedem langen Samstag solche Veranstaltungen statt — dann mit jeweils einem Gast aus Afrika, Asien oder Lateinamerika sowie zwei ExpertInnen aus der Berliner Kulturszene. Abdelkébir Khatibi beklagte das Fehlen eines Dialoges. Der marokkanische Autor weiß um die (Vor-)Urteile der Europäer. Da seien die Schwächen der arabischen Gesellschaft wie der Despotismus, der Mangel an technischem Wissen und die Unterdrückung der Frau. Beim letzten Punkt allerdings vermutet Khatibi ebenfalls Unkenntnis über die gesellschaftlichen, religiösen und historischen Hintergründe des Geschlechterverhältnisses. Er sorgte für Aufklärung: Die Frau sei ein symbolisches Wesen zwischen Gott und dem Menschen. Gott habe den Schleier auf sie fallen lassen, um sie vom Irdischen zu befreien. Khatibis Podiumspartnerin Halina Bendkowski konnte diese Darstellung nicht unwidersprochen stehen lassen. Die Frau habe nichts davon, sagte die AL-Abgeordnete, daß Gott den Schleier auf sie fallen ließ, da sie sich nicht einmal frei bewegen könne. Wenn schon Schleier, so die Forderung Bendkowskis, dann solle Gott ihn auf alle fallen lassen.

Die Stärken der arabisch-islamischen Welt sind für Khatibi vor allem Gemeinschaftssinn, ein ungeheurer Lebenswille, ein gewisser Fatalismus und die Liebe zur arabischen Sprache. Der Autor verfaßt seine Bücher allerdings auf französisch. Zur Lösung der Differenzen zwischen beiden Kulturkreisen schlug er vor, einfach häufiger miteinander zu sprechen und nach Ähnlichkeiten zu suchen.

Weder die beiden DiskussionsteilnehmerInnen Halina Bendkowski und Ralph Ghadban, Leiter der Beratungsstelle für Araber »Al-Muntada« beim Diakonischen Werk, noch das Publikum waren zufrieden mit den Ausführungen und Lösungsvorschlägen des marokkanischen Gastes. Ghadbans Beiträge konzentrierten sich auf die Folgen des Golfkrieges, vor allem in Hinsicht auf das verstärkt negative Bild der arabischen Welt in Europa. Der Golfkrieg sei eine Demütigung für jeden Araber gewesen. Für Khatibi allerdings bedeute der Golfkrieg lediglich die Niederlage des Despoten Saddam.

Das Unverständnis zwischen den beiden Kulturen spiegelte sich auch in der zuweilen recht verstockten Debatte wider. Ein Dialog ist jedenfalls nicht ins Rollen gekommen. Aber das muß für die kommenden Veranstaltungen nichts heißen. Nadja Encke