Rauchen ist toll

■ Eine Botschaft von Joe Jackson

Ist es die beginnende Altershomosexualität? Oder nur das exponentielle Wachstum der Glatze in der zweiten Hälfte der Dreißiger? Joe Jackson, der Zelig der Popmusik, hat sich diesmal als feminin geschminkter Pierrot mit Hut auf die Hülle bringen lassen. Weil Jackson aber der einzige Star ist, dem man selbst die Birckenstocks verzeihen muß, die er auf der Bühne für die Zugabe überstreift, ist auch das Oberstufentheater gegen den abkippenden Haaransatz erlaubt. Schließlich darf die Diva ja auch der US-Nichtraucherschaft verkünden, daß Rauchen einfach toll ist, oder das Publikum öffentlich erniedrigen, in dem sie anmerkt, daß sie jetzt live wirklich nur noch ihr Album runterspielt und garantiert keine Zugabe mehr gibt.

Jackson hat die Treueprämie verdient, wieder hat er ziemlich viel vom Besten gegeben, kühl kalkulierten Pop, perfekt arrangiert. An seiner Stimme hat er so hart weitergearbeitet, daß mancher seinen neuen Chartsong Stranger Than Fiction glatt nicht erkannte. Nun ist stimmlich von Dreckskerl über Badewanne bis Engel alles möglich. Und mit der Joy Askew, die auch Keyboards spielt, im Hintergrund bleibt nichts zu wünschen übrig.

Nur ein richtiges Konzeptalbum ist es nicht, kein neuer stilistischer Abstecher, wieder Midlifekrisenbewältigung — wie schon auf dem Vorgänger Blaze of Glory, der auf der A-Seite der neuen Platte Laughter And Lust auch anklingt. Das letzte Werk hatte Jackson seiner „Generation“ gewidmet und damit das Ende der Jugendkultur erklärt sowie sich selbst für endgültig erwachsen. Die Ausflugsserie in Sachen Big Band, Cole Porter oder Weltmusik war beendet. Nun werden Ausbruchsversuche sublimiert, ob im schnellen, kurzen Gedankenseitensprung Jamie G., südamerikanisch veredelt, oder im düsteren Ehedrama My House. Da fährt ein Familienvater abends im Regen nach Hause, am Straßenstrich vorbei, und denkt über das perfekte kleine Alibi nach, das er mit seiner Frau gezeugt hat, denkt daran, einfach den Wagen umzudrehen, von der Spur abzukommen. Man bildet sich ein, die Scheibenwischer unter der Musik zu hören, die wie Autoradio klingt.

Laughter And Lust zerfällt in die die ironische A-Seite mit schnellem und straightem Rock — Jacksons übliche Kritik an Fernsehen, Konsumüberfluß und Krieg — und die balladeske B-Seite, die depressive Liebesseite, auf der auch schon mal Cello und Triangel zum Einsatz kommen. Doch nur die A-Seite kann überzeugen, scharfe abgeschlossene Lieder Goin' Downtown, wo sich die E-Gitarre vor orchestralem Rhythm and Blues austobt, das mitsummfähige, percussionlastige Stranger Than Fiction oder das sehr tanzbare Jamie G., ein halbherziges Plädoyer gegen Safer Sex. Besonders schön: Hit Single, ein Nummer-eins-Hit, singt über sich selbst, und aus dem Casio kommt dabei eine glasklare Leierkastenmelodie. Der Rest ist zu verheult und verspielt, Beziehungsgedöns.

Aber Jackson wird nie ein singender Englischlehrer (Sting) oder ein singender Architekturstudent (Roger Waters), auch wenn er jetzt schon übers Ozonloch trällert. Denn er hat Musik studiert, wollte nie Star sein und ist, obwohl altklug geboren, fähig zur Selbstironie. Für ihn sind die Probleme der Welt Gott sei Dank nur noch „obvious“. In zwei Jahren dürfte er wieder mehr zu bieten haben. Nach der Scheidung. Hans-Hermann Kotte

Laughter And Lust ,

Virgin Records, 211413