piwik no script img

Niederlage für US-Waffenlobby

Das Repräsentantenhaus verabschiedet das erste Gesetz zur Verschärfung der Waffenbestimmungen  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Der Verband der Waffenbesitzer, eine der mächtigsten politischen Lobbygruppen in den USA, hat bei der Abstimmung über schärfere Bestimmungen für den Verkauf von Handfeuerwaffen eine ungewöhnliche Niederlage hinnehmen müssen. Das Repräsentantenhaus beschloß am Mittwoch mit 239 zu 186 Stimmen landesweit eine siebentägige Wartepause beim Verkauf einer Feuerwaffe einzuführen, damit die Polizei prüfen kann, ob möglicherweise ein Vorstrafenregister oder eine geistige Behinderung gegen den Waffenbesitz des jeweiligen Käufers sprechen. Die Überprüfung durch die Polizei ist jedoch auch weiterhin keine Pflicht.

Vor ihrem Inkrafttreten muß die Gesetzesvorlage jedoch noch weitere Hürden passieren. Im Senat sind vor allem die Vertreter ländlicher Staaten als Mitglieder der Jagdlobby grundsätzlich gegen die Einschränkung des in der Verfassung verankerten Rechtes der Amerikaner auf Waffenbesitz. Auch Präsident George Bush hat bereits angedeutet, daß er seine Unterschrift nur dann unter die neue Waffenbestimmung setzen wird, wenn das Gesetz in seine Vorlage für eine umfassendere Kriminalitätsbekämpfung eingebettet wird. George Bushs neue Antikriminalitätsgesetze dürften für eine wirklichen Bekämpfung der hohen und weiter steigenden Kriminalitätsrate einen ebenso symbolischen Wert haben, wie die jetzt vom Repräsentantenhaus beschlossene Wartezeit beim Waffenkauf.

Der überraschenden Abstimmungsniederlage für die Waffenlobby war eine heftige und bitter geführte Debatte über das Recht auf bleihaltige Persönlichkeitsentfaltung vorausgegangen. In ganzseitigen Zeitungsanzeigen und mit Hunderttausenden von Briefsendungen hatte die „National Rifle Association“ (NRA), der Verband der Waffenbesitzer, bis zur letzten Minute gegen die siebentätige Wartezeit vor dem Kauf einer Handfeuerwaffe agitiert.

Mit einem alternativen Gesetzentwurf, der eine sofortige computergestützte Überprüfung des Kunden in einem der 272.000 Waffenläden vorsah, hatte die NRA versucht, das neue Gesetz zu Fall bringen. Ihr Vorschlag hatte nur einen Schönheitsfehler: Die Einrichtung der dazu nötigen Datenbasis würde Jahre in Anspruch nehmen.

Das sogenannte „Brady-Gesetz“ will dagegen in Ermangelung eines solchen zentralen Registers, zumindest den Waffenkauf im Affekt verhindern. Die Vorlage verdankt ihren Namen dem ehemaligen Sprecher des Weißen Hauses, James Brady, der bei dem Attentat 1981 auf den damaligen Präsidenten Ronald Reagan schwere Kopfverletzungen erlitt und seitdem an den Rollstuhl gefesselt ist.

Die traurige Figur des James Brady, der im Kongreß trotz seiner Behinderung unermüdlich für diese minimale Einschränkung beim Waffenverkauf gekämpft hatte, war es denn auch, die für die überraschende Niederlage der sonst siegesgewohnten Waffenfreunde sorgte.

Während rund 90 Prozent der US- Bevölkerung für das Brady-Gesetz eintritt, hatten viele Abgeordnete bisher immer wieder aus Angst vor dem lokalen Einfluß der NRA gegen jede Beschränkung des Waffenkaufs gestimmt. Erst als sich Ronald Reagan, mehr aus persönlicher Loyalität gegenüber seinem ehemaligen Regierungssprecher denn aus Opposition gegen die Waffenlobby, vor wenigen Wochen überraschend für die Siebentagefrist ausgesprochen hatte, trauten sich einige Volksvertreter gegen den mächtigen Waffenverband zu stimmen.

Bei der Abstimmung, so der Kongreßabgeordnete James Trafikant, gehe es weniger um eine konkrete Verbesserung der Verbrechensbekämpfung als vielmehr um die Frage, „wer in den nächsten Jahren die Waffengesetze schreibt, die NRA oder wir“. Allerdings hat zum Beispiel der demokratische Mehrheitsführer im Senat schon angekündigt, weiter gegen das Brady-Gesetz zu stimmen. Die Bürger seines Wahlkreises, so die Begründung, wollen nicht auf die Freiheit verzichten, ihre Feuerwaffe sofort vom Ladentisch mit nach Hause zu nehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen