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KOMMENTAREDie Logik der Gewalt

■ Das Urteil gegen Winnie Mandela ist nicht nur ein politisches

Es gibt keine Normalität in Südafrika. Der Richterspruch gegen Winnie Mandela ist auch ein politisches Urteil, man versucht den Gegner ANC an exponierter Stelle zu schwächen. Das kennt man zur Genüge, und es hat System. Nun geschieht es zu einer Zeit, wo auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen die Gewalt mit solch zersetzender Kraft ihr Unwesen treibt, daß das Schlimmste zu befürchten ist.

Die Prophezeiung des Chaos' gehört im Fall Südafrika unter Wissenschaftlern immer zum guten Ton: Sie scheint sich — trotz aller Hoffnungen auf eine friedliche Transformation des Apartheidstaates — zu bewahrheiten. Der Fall Winnie Mandela macht dennoch ratlos. Man muß fragen: Hätte Winnie Mandela ungeschoren davonkommen sollen, obwohl so vieles für ihre schuldhafte Verstrickung in den Fall der Folterung an Jugendlichen spricht — bloß weil die Gerichte Südafrikas bis über die Ohren befangen und in rassistische Logik verwickelt sind? Oder gar nur deshalb, weil sie eben Winnie Mandela ist?

Kaum hat man sich auf diese Logik eingelassen, drängt sich der Gedanke an die 850 Menschen auf, die allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bei Kämpfen starben, ohne daß auch nur einer dieser Toten gesühnt wurde. Nach welchem Zulu- Krieger ist gefahndet, wer von den Truppen Buthelezis ist verurteilt worden? Welcher Polizist wurde suspendiert, weil er Inkatha-Krieger schützte statt die angegriffenen Slumbewohner? Wie kann sich die Regierung de Klerk weiter weigern, der Phalanx Buthelezis die Mordwaffen abzunehmen und statt dessen — ewige Litanei — den ANC vor Massenprotesten zu warnen?

Sicherlich: Man kann das nicht gegen das andere aufrechnen. Die Gewalt hat zu viele Gesichter in Südafrika, das Land selbst ist ein Panoptikum von Haß und Unversöhnlichkeit. Es gehört zum Drama des Landes, daß es keine neutrale, vermittelnde Gewalt gibt, die den Transformationsprozeß flankieren kann. Wenn man schon die UNO nicht herbeireden kann, so muß zumindest dem Prinzip Öffentlichkeit nachgeholfen werden. Daher war der Prozeß gegen Winnie Mandela wichtig. Er brachte das zentrale politische Thema Gewalt aufs Tapet und stellte die Gesetzlosigkeit, die auch auf seiten der schwarzen Opposition wie im Falle des „Mandela-Fußballclubs“ immer mehr um sich greift, zur Debatte. Andrea Seibel

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