Kunst und Kleptomanie

Die BBC enthüllte gestern abend gar Schauerliches. Eine Staatsvisite des früheren rumänischen Präsidentenpaares Nicolae und Elena Ceausescu, so erfuhr die geschockte britische Bevölkerung, hat im Juni 1978 eine bislang einmalige Panik im Londoner Buckingham-Palast ausgelöst. Kurz vor der Ankunft der rumänischen Gäste hatte die Queen einen Anruf aus Paris erhalten, in dem Präsident Giscard d'Estaing lebhaft vor der Kleptomanie der Ceausescus warnte. Nach der Abreise des Paares sei gerade sein Protokollchef entsetzt zu ihm gekommen. Das Gästehaus, Hotel Marigny, sehe aus, als ob „Einbrecher einen ganzen Sommer darin gehaust hätten“. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, habe das Präsidentenpaar mitgehen lassen: Lampen, Vasen, Aschenbecher, sogar Badezimmerarmaturen. Außerdem hätten rumänische Sicherheitsbeamte auf der Suche nach Wanzen Dutzende von Löchern in die Wände gebohrt.

Elizabeth II. nahm die Warnung sehr ernst. Sie ordnete an, alle Wertsachen der Gästezimmer zu verschließen und die rumänischen Langfinger nicht aus den Augen zu lassen. Durch den aufopfernden Einsatz des gesamten Personals konnte das Präsidentenpaar in Schach gehalten werden. Trotz der Verärgerung wurde der rumänische Diktator von der Queen empfangen. Bukarest hatte nämlich versprochen, nach einem Empfang durch die Monarchin werde Ceausescu einen fetten Auftrag an die „British Areospace“ vergeben. Doch die rumänische Regierung kaufte lediglich ein Flugzeug, wahrscheinlich aus Enttäuschung über den Mangel an Andenken im Buckingham-Palast.

Ceausescu konnte seine zusammengerafften Schätze nicht mitnehmen als er liquidiert wurde, ein japanische Industrieller hingegen will sich auch im Jenseits nicht von seinen teuren Kunstwerken trennen. Der 75jährige Ryoei Saito hat vor einem Jahr in New York einen van Gogh (Porträt des Arztes Paul Gachet) und Le Moulinde la Galette von Auguste Renoir für zusammen über 160 Millionen Dollar ersteigert. Saito hatte zwar zunächst angedeutet, er wolle die Bilder später einem Museum überlassen, jetzt gab er aber bekannt, er werde die Gemälde mit ins Grab nehmen. Da Japaner als Bestattungsart gerne die Verbrennung wählen, ist der weltweite Kunstmarkt in Panik.

Mr. Gillingham, Direktor eines Londoner Kunsthandelshauses, denkt schon öffentlich über eine „Gesellschaft zum Schutz lebloser Objekte“ nach. Karl Wegmann