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Bundestag beschließt Steuererhöhungen

■ Die Koalitionsmehrheit hat sich in allen Punkten erwartungsgemäß durchgesetzt/ Mehr Geld für ostdeutschen Straßenbau/ Kurzarbeiterregelung in den neuen Ländern soll bis Ende des Jahres gelten

Berlin (ap/taz) — Erwartungsgemäß hat der Bundestag am Dienstag mit den Stimmen der Koalitionsfraktion das Steuerpaket der Bundesregierung beschlossen. Die Oppositionsparteien lehnten das sogenannte Solidaritäts- und das Steueränderungsgesetz ab. Mit dem Steueränderungsgesetz wird in den neuen Ländern unter anderem die Erhebung der Gewerbekapital- und der Vermögensteuer für zwei Jahre ausgesetzt und Sonderabschreibungen für Unternehmen eingeführt. Die SPD wird am 7. Juni im Bundesrat Gelegenheit haben, ihre abweichende Vorstellung durchzusetzen.

Dem Mehrheitsbeschluß im Bundestag war eine rund dreistündige heftige Debatte vorausgegangen, bei der allerdings keine Argumente auftauchten, die nicht schon in vergangenen Wochen öffentlich diskutiert worden wären. Zum wiederholten Male warf die Finanzsprecherin der SPD-Fraktion, Ingrid Matthäus- Maier, der Bundesregierung vor, die Bürger mit „Steuerlügen“ hinters Licht geführt zu haben. Die geplanten Steuererhöhungen seien „zutiefst sozial ungerecht“.

Die Bundesregierung betreibe, so die SPD-Finanzpolitikerin, eine „unverblümte Umverteilungspolitik“ von unten nach oben. Spitzenverdiener würden geschont oder sogar noch entlastet.

Theo Waigel (CSU) reagierte gewohnt scharf auf die Anwürfe der Opposition. Frau Matthäus-Maier arbeite permanent mit Halbwahrheiten und Unterstellungen. „Sie wiederholen in stereotyper Dummheit, was schon 1982 falsch gewesen ist.“ Die Koalition bezeichnete die höheren Steuern, die dem Bund dieses Jahr Mehreinnahmen von 17 und 1992 von 27 Milliarden Mark bringen, erneut als notwendig zur Finanzierung der unvorhersehbaren nationalen und internationalen Aufgaben. Die Alternative wäre eine weitere Erhöhung der Nettokreditaufnahme mit der Folge einer möglichen Gefährdung der Geldwertstabilität und steigenden Zinsen gewesen.

Die FDP betonte, die angekündigte Steuerreform für Unternehmen bleibe auf der Tagesordnung und sei zwingend. Die deutschen Unternehmen dürften nicht höher belastet werden als ihre Konkurrenten in den EG- Nachbarländern, sagte der Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms. Neben dem Steueränderungsgesetz beschloß der Bundestag gestern auch noch weitere Unterstützungsmaßnahmen für die neuen Bundesländer.

Das ebenfalls gegen die SPD verabschiedete Haushaltsbegleitgesetz stellt zugleich die Weichen für Einnahmeverbesserungen des Bundes in diesem Jahr. Bündnis 90/Grüne und PDS enthielten sich bei der Abstimmung. Nach dem Gesetz muß die Bundespost ihre Ablieferung an den Bund 1991 und 1992 um jeweils zwei Milliarden Mark erhöhen. Außerdem werden bis 1994 von den den alten Bundesländern zustehenden Mittel für den kommunalen Straßenbau jeweils 200 Millionen Mark zugunsten der neuen Länder umgeschichtet. Ferner wird der Bund den ostdeutschen Straßenbau in diesem und im nächsten Jahr mit 2,5 Milliarden Mark fördern. Außerdem erhalten Familien mit einem Kind in den neuen Ländern in diesem Jahr ein um 15 auf 65 Mark im Monat erhöhtes Kindergeld.

Um die Einnahmen der neuen Länder zu verbessern, verzichtet der Bund mit dem Gesetz auf den ihm ursprünglich zustehenden Anteil von 15 Prozent am Fonds Deutsche Einheit. Ferner wird festgelegt, daß die neuen Länder bereits von diesem Jahr an voll an der Verteilung des Länderanteils am Umsatzsteueraufkommen beteiligt werden.

Gestern nachmittag stand ferner eine Gesetzesänderung zum Arbeitsförderungsgesetz an. Danach sollen in Ostdeutschland arbeitslose Männer und Frauen künftig bereits mit 55 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gehen können. Diese Regelung soll am 1. Juli in Kraft treten und bis zum 31. Dezember dieses Jahres befristet sein. Außerdem soll die für die neuen Länder geltende Kurzarbeiterregelung, die eine Fortzahlung der Bezüge auch bei einem 100prozentigen Arbeitsausfall vorsieht, bis Jahresende verlängert werden, jedoch an Weiterbildungsmaßnahmen geknüpft sein.

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