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Eine Stadt stellt sich tot

■ Rotterdam präsentierte sich den englischen Fußballfans so unattraktiv wie irgend möglich

Von Festtagsstimmung keine Spur, Rotterdam hatte sich eingeigelt. Der Landregen, der ausdauernd vom Himmel fiel, und Temperaturen um fünf Grad besorgten den Rest. Die Innenstadt war leer, an einigen Geschäften waren die Eisenrolläden heruntergelassen, an den Türen anderer Shops standen muskelbepackte Rausschmeißer.

Freudlos trotteten spanische Mittelstandsfamilien mit blau-roten Barca-Schals und Einkaufstüten an englischen Prols mit Bierdosen vorbei. Die Polizisten am Hauptbahnhof schoben die Fans, die dort warteten, immer wieder in die Nässe hinaus, die meisten Kneipen waren geschlossen oder wollten auf wundersame Weise immer gerade dann schließen, wenn englische Fußballfans Einlaß begehrten.

Die Hysterie in den Tagen vor dem Spiel, die Versuche, das Finale noch abzusagen oder aus Rotterdam zu verlegen, hatten am Mittwoch die holländische Hafenstadt in einen der ungastlichsten Orte verwandelt, den man sich vorstellen kann. Wer nicht das Glück hatte, draußen am Rand der Stadt das Rockkonzert zu sehen, mit dem die Fans an- und weggelockt werden sollten, verlebte einen traurigen Tag. So bestand der einzige Charme in der freundlichen Desorganisation, die versprengten Fans aus der City zum Stadion zu schicken.

Die Fahrt mit Metro und Bus glich aufgrund wirrer Information der Bediensteten der städtischen Verkehrsbetriebe eher einer Schnitzeljagt, die durch große Freundlichkeit allerdings versüßt wurde. Als sich schließlich herausstellte, daß nur wenige Fans ohne Karte sich damit begnügen mußten, das Spiel auf der Großbild-Leinwand vor dem Stadion zu sehen, war zumindest für die Organisatoren klar, daß alles gut gelaufen war. Und auch die Fans hatten ihr Fazit ziehen können. Sie waren wieder einmal nicht willkommen. Christoph Biermann

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