Hans-Wendt-Vorstand „schmählich versagt“

■ Milde Strafe für ehemaligen Hans-Wendt-Verwaltungsleiter / Vorstand an Unterschlagung „selbst Schuld“

Zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung hat gestern das Amtsgericht Bremen den langjährigen Verwaltungsleiter der Hans-Wendt-Stiftung, Dieter Z. (56), verurteilt. Z. hat zwischen den Jahren 1983 und 1985 120.000 Mark, 1987 und 1988 noch einmal 12.000 Mark Stiftungsgelder veruntreut. Die vergleichsweise milde Strafe sprach das Gericht aus, weil der Vorstand der Hans-Wendt-Stiftung unter dem Vorsitz des damaligen Sozial- und jetzigen Bildungssenators Henning Scherf bei der Wahrnehmung seiner Aufsichtspflicht gegenüber Z. „schmählich versagt“ habe, erklärte Amtrichter Wolfgang Rathge in seiner Urteilsbegründung.

Das Gericht staunte nicht schlecht, als Z. schilderte, mit welch einfachen Methoden er unbemerkt mehrmals fünfstellige Beträge auf sein Privatkonto überwiesen hatte. Neben seiner Verwaltungstätigkeit für die Hans-Wendt-Stiftung fungierte Z. seit 1980 als Geschäftsführer des „Vereins zur Förderung vietnamesischer Kinder und Jugendlicher e.V“. Der Verein war juristisch unabhängig, wirtschaftlich aber eine Tochter der Stiftung: Zwischen beiden herrschte reger Buchungsverkehr, weil die Hans- Wendt-Stiftung Geld für den Verein regelmäßig vorstreckte.

Der Verein hatte also ständig Schulden bei der Stiftung, die jeweils ausgeglichen wurden. Nur: Bei fünf Überweisungen in Höhe von insgesamt 120.000 Mark kam das Geld nie bei der Stiftung an. Z. überwies die Vereinsschulden auf sein privates Girokonto. Gleichzeitig wurden entsprechende Beträge vom Stiftungskonto als Ausgaben abgebucht. Buchungstechnisch konnten so keine Differenzen auftreten.

Die heimliche „Umbuchung“ hätte bei jeder halbwegs seriösen Wirtschaftsprüfung auffliegen müssen, denn auf den Buchungsbelegen war der tatsächliche Weg des Geldes, Z.s Name und Kontonummer, ausgewiesen. Eine richtige Prüfung hat aber nie stattgefunden: Die für die jährliche Bilanzprüfung zuständige Hanseatische Revisions- und Treuhandgesellschaft hat offenbar immer nur die Buchungen, aber nie die Belege untersucht. „Offenbar war die Gesellschaft gerade immer im Urlaub, wenn geprüft wurde“, spottete Richter Rathge.

Und das war nicht alles, was im Gericht über die Zustände bei der Hans-Wendt-Stiftung zu hören war. Bereits seit 1981 sei es in der Stiftung aktennotorisch geworden, daß in der Buchhaltung völlig chaotische Zustände herrschten. Als Beweis wertete das Gericht einen Bericht des damaligen Betriebsratsführers Bartels. Der hatte die schlampige Buchführung beim Stiftungsvorstand moniert. Und angekommen ist die Kritik auch: Das damalige Vorstandsmitglied Hans-Christoph Hoppensack notierte handschriftlich an seinen Geschäftsführer Henschel: „Lieber Rechnungsprüfer, könnten Sie bitte den Verwaltungsleiter (Z., d. Red.) in den A... treten, damit er seine Schularbeiten macht.“

Den Z. hat niemand in den A... getreten, Z. machte auch seine Schularbeiten nicht: Ein Jugendprojekt jagte das nächste, aber die Buchführung hinterließ er in einem Stadium urgeschichtlicher Unordnung: Von keinem Vorstand, von keinem Rechnungsprüfer behindert oder gestört.

1983 machte er sich sein Wissen um die laxe Prüfungspraxis in der Stiftung dann zum ersten Mal zu Nutze. Weil er sich mit einem voll fremdfinanzierten Haus (Abtrag 3.500 Mark pro Monat) „weit über den Schornstein hinaus verschuldet“ (Rathge) hatte, unterschlug er in mehreren Häppchen 132.000 Mark und wurde bis 1988 nicht erwischt. Als dann der Rechungshof mit der Überprüfung der Belege begann, als er merken mußte, daß er auffliegen würde, legte er ein Geständnis ab und stieß den Stiftungsvorstand mit der Nase auf seine Unterschlagungen.

Richter Rathge folgte bei der Urteilsbegründung dem Gutachten des Rechnungshofes, der bei seiner Untersuchung in der Hans- Wendt-Stiftung bereits festgestellt hatte: Die Unterschlagungen hätten wahrscheinlich verhindert werden können, wenn der Stiftungsvorstand seine Kontrollaufgaben wahrgenommen hätte. Rathge: „Der Vorstand ist an der Unterschlagung selbst Schuld.“ Markus Daschner