Die Trüffelschweine der Hochfinanz

■ Ein Detektivbüro jagt den heimlichen Konten von Diktatoren nach

Ein Detektivbüro jagt den heimlichen

Konten von Diktatoren nach

Von KARL WEGMANN

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er berühmteste Privatdetektiv Amerikas heißt nicht länger Philip Marlowe, sondern Jules Kroll. Der Mann sieht aus wie Yuppies Daddy und benimmt sich auch so. Er läuft nicht im schmuddeligen Trenchcoat durch die Gegend, sondern im feinsten maßgeschneiderten englischen Zwirn. Sein Büro ist keine ärmlich eingerichtete Bruchbude, sondern ein klimatisierter Traum, vollgestopft mit High-Tech-Möbeln. Der moderne Privat-Eye beschäftigt sich auch nicht mit jugendlichen Ausreißern oder blutigen Ehedramen. Jules Kroll sucht Geld und sonst gar nichts.

Schnüffler Kroll ist keine Romanfigur, sondern der Chef des Detektivbüros Kroll Associates. Der Hauptsitz der Firma liegt an der New Yorker Third Avenue 900, in der Nähe der Vereinten Nationen. Zu den 250 Angestellten gehören frühere Staatsanwälte, FBI-Agenten, Journalisten und ein ehemaliger New Yorker Polizeipräsident. Sie arbeiten in acht Außenbüros in den Vereinigten Staaten, Europa und Hongkong.

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er 49jährige Kroll beherrscht seinen Job. Nach einem Jura- Studium arbeitete er als stellvertretender Strafverfolger in Manhatten. 1971 kandidierte er für den New Yorker Stadtrat als Reformkandidat der Demokratischen Partei. Er verlor die Wahl und gründete seine Detektei. Der Laden kam zunächst nicht richtig in Schwung. Doch dann, Anfang der 80er, kam die Zeit der ständig wachsenden Zahl der Firmenübernahmen. Immer häufiger heuerten Unternehmen Detektive an, um herauszufinden, ob potentielle Geschäftspartner solide und auch flüssig seien, oder ob sie gar Verbindungen zur Unterwelt hätten. Das war die Chance. Kroll spezialisierte sich auf Ermittlungen in Großunternehmen, und schon bald arbeiteten er und seine Mitarbeiter als Trüffelschweine für die Hochfinanz. Die Aufträge kamen direkt aus der Wall Street und machten Kroll und seine Detektive berühmt. So berühmt, daß man sie bald darauf als Jäger der versteckten Regierungsschätze einsetzte.

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ie Kroll-Detektive suchten die Milliarden des Schahs von Persien, kamen dem gestohlenen Vermögen des Diktators von Haiti, Jean-Claude Duvalier, auf die Spur und steckten ihre Nasen in die Akten des philippinischen Autokraten Ferdinand Marcos. Doch der Job, den sie zur Zeit erledigen, stellt alles bisherige in den Schatten. Vom kuweitischen Botschafter in Washington bekam Kroll den Auftrag, das weltweite Finanzimperium des irakischen Diktators Saddam Hussein auszuforschen.

Schon bald wußte Kroll über Saddam und seinen Clan Bescheid: „Es handelt sich um eine organisierte Verbrecherclique“, meint der Detektiv, „es ist das Äquivalent des Gambino- Mafia-Clans, aber in Potenz.“ Beim Aufbau seines verdeckten, weitverzweigten Finanzimperiums sei Saddam äußerst erfindungsreich vorgegangen. Eingeweiht seien nur wenige Mitglieder aus seinem engsten Umfeld. Geführt werde die ganze Maschinerie von Barzan al-Takriti, ein Halbbruder Saddams und einstiger Geheimdienstchef des Irak. Er steuere Hunderte von Konten und Unternehmen quer über den Globus. Ein Teil davon, 52 Firmen in 17 Ländern, ist inzwischen identifiziert.

Kroll ist sicher, daß der irakische Diktator seit zehn Jahren von jedem Barrel verkauften Öls fünf Prozent für sich selbst abgezweigt hat. „Allein daraus“, weiß der Detektiv, „sind zehn bis elf Milliarden Dollar an Saddam gegangen.“ Mit den Japanern soll der Iraker ein Geheimabkommen getroffen haben, nach dem 2,5 Prozent des Wertes sämtlicher Geschäfte des Landes mit dem Irak zugunsten Saddams auf ein japanisches Bankkonto überwiesen werden. Kroll fand auch heraus, daß Saddam an den Weltbörsen Aktien im Wert von fast einer Milliarde Dollar kaufte, darunter eine 8,4 Prozent- Beteiligung an dem französischen Verlagsunternehmen Hachette, das auch amerikanische Zeitschriften besitzt. Selbst den in Kuweit geklauten Luxuslimousinen (Wert immerhin 300 Millionen Dollar) ist der Superschnüffler auf die Spur gekommen. Sie sollen via Jordanien auf den Weltmarkt für Gebrauchtwagen geschleust worden sein.

Soviel Wühlarbeit des Detektivbüros wird natürlich üppig honoriert. Laut 'Washington Post‘ machte Kroll Associates letztes Jahr 50 Millionen Dollar Umsatz. Eine Summe, von der Philip Marlowe nicht mal zu träumen gewagt hätte.