: Kiefer-Ausstellung kurzzeitig besetzt
■ »Initiative gekündigter KünstlerInnen« protestiert gegen Ateliernotstand/ 1.000 Ateliers fehlen/ Mietsteigerung bis zu 20 Prozent
Schöneberg. »Jetzt hat sich's aber ausgekiefert!«, murmelt eine Künstlerin wildentschlossen im Vorraum der Nationalgalerie. Vier sonntagabendliche Stunden hielten etwa dreißig KünstlerInnen der »Initiative gekündigter Künstler und Künstlerinnen« das Repräsentationshaus der »Kulturmetropole« besetzt. Dann kam die Polizei. »Zum fünften und nicht zum letzten Mal« machten sie mit ihrer Aktion auf ihre äußerst prekäre Situation aufmerksam.
1.000 Ateliers fehlen inzwischen in Berlin. Mit der Vereinigung sind die Ateliermieten im Westteil um das fünffache, im Ostteil z.T. um das zwanzigfache gestiegen. »Durchaus keine Freude« empfinden die Grundstücksverwaltungen zwar bei der Abfassung ihrer Kündigungen oder Mieterhöhungsschreiben, doch den veränderten Bedingungen müsse man irgendwie Rechnung tragen. Daß kaum einer der KünstlerInnen die gleichen Mieten zahlen kann, wie Videoshops, sieht zwar der neue Kultursenator Roloff-Momin ein und versprach auch vollmundig vor drei Monaten einen »Atelierbeauftragten« zu ernennen, wie Alke Brinkmann von der Künstlerinitiative berichtet. Bis jetzt sei jedoch nichts geschehen. Von bloß symbolischen Aktionen versprechen sich die Künstler nichts mehr. Diesmal wollte man »wirklich« besetzen und die Nationalgalerie in eine Lager- und Produktionshalle für die KünstlerInnen verwandeln.
Hurtig eilten 20 KünstlerInnen mit Rahmen, Bildern, Werkzeug, Kartons, Abendbrot und Schlafsäcken in die friedlich vor sich hinträumende Nationalgalerie. Verwirrte Wärter versuchen sie zwar noch mannhaft aufzuhalten, doch die BesetzerInnen sind zu flink. Während sie Pappkartons aufbauen, ihre Namen draufschreiben, Flugblätter verteilen, besonders dreiste Mieterhöhungsschreiben vorlesen, ärgern sich zwar zunächst noch die friedlichen Aufpasser — »der Dumme ist immer der kleine Museumswärter« und »wir müssen das dann alles wieder wegmachen« — solidarisieren sich jedoch später, wie die Polizisten, die Besucher, die-Presse-sowieso und der aufgeregt herbeigeeilte Herr des Hauses, Honisch, Dieter. Aber — man hätte sich doch eine andere Adresse für's berechtigte Anliegen aussuchen sollen; sich einzusetzen versprach er, gar eine Presseerklärung solidaritätshalber zu verfassen, nur sollten die KünstlerInnen doch bitte wieder weggehen, beschwor er sichtlich von der Vorstellung gepeinigt, daß ein Polizeieinsatz dem Ruf seines Hauses schaden könnte.
So mußte behutsam, quasi per du und als längst schon die BesucherInnen das Museum verlassen hatten, geräumt werden. Die KünstlerInnen kommen wieder, versprachen sie, und werden das nächste Mal hoffentlich noch ein paar hundert Obdachlose, vom Kita-Sterben Betroffene und andere Mietsteigerungs- und Umstrukturierungsopfer mitbringen. Orte jedenfalls, an denen man das Kulturmetropölchen öffentlichkeitswirksam ärgern kann, gibt es genug. Detlef Kuhlbrodt
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