„Achtung: Asylantenvermieter...

■ wir treffen uns am 17.O5.91 um 19 Uhr im Hotel Zenit, Außer der Scheifmühle 73“

Diese Kleinanzeige hatte Frau M. aufgegegeben, Mieterin des Hotels Zenit und eines Bündels weiterer Häuser im Bremischen, belegt mit vielen hundert Asylanten, für die das Sozialamt pro Bett und Nacht 19,50 Mark zahlt. Frau M. geht jeden Tag durch die Zimmer, läßt die Wäsche, wenn nötig, auch schon mal nach 10 anstatt nach 14 Tagen wechseln, wozu sie verpflichtet ist, fährt zum Nachlaßverwalter, und das gern, und kauft kübelweise Pött und Pannen und Wäsche nach, die spätestens bei Verschwinden der Asylanten verschwinden, oft früher.

Frau M., Erzähltalent aus dem Kölnischen, (so schnell können die Leute gar nicht sterben, wie ich Geschirr nach brauch), erzählt gern, was ihre Asylanten alles machen, wobei sie allerdings kränkt, daß die sich neuerdings beschweren, Du, Frau, Geschirr nicht neu!. Jedes viertel Jahr läßt sie neu streichen und alles herrichten. Ihr Mann und Kompagnon sagt immer, Du bist verrückt, eine Woche später stinkt es doch genau wie vorher.

Herr M., lederjackenschmuck mit Brillant im Ohr, prügelt sich schon mal mit nem Asylanten, wenn es sein muß, hat aber, zusammen mit Frau M. hauptsächlich Krach mit dem Sozialamt. Statt zu arbeiten, ist das immer auf Fortbildung, krank oder unfähig und hält Asylanten-Vermieter grundsätzlich nur für Ausbeuter und Nazis. Dabei ist er gar keiner. Nur, daß Vermieter die Häuser nach Auflagen umbauen müssen, aber keine schriftlichen Mietverträge kriegen, das geht nicht. Herr M. fürchtet, von heute auf morgen Häuser geleert zu kriegen, die Frau M. bis 1994 gemietet hat.

Nein, pflichtet die alte Frau mit dem finsterblickenden ewigstummen Sohn neben sich bei, die vom Sozialamt gönnen uns das Geld nicht. Die Frau, die das Leben dünn und grau gemacht hat, so daß man ihr selber Sozialhilfe zutraut, vermietet verschiedene eigene Häuser an Asylanten. Allerdings nicht an Neger. An Neger nicht. Wie Frau M. hat sie eine soziale Ader, macht denen, die in ihrem Haus wohnen, Weihnachen schon mal eine Bescherung.

Die Sanftblickende, die Häuser verwaltet, in denen Asylbewerber untergebracht sind, hat keine Probleme mit dem Sozialamt, aber mit dem Putzen der Toiletten und Bäder, zu der die Vermieter verplichtet sind. Deutsche Frauen putzen da nicht länger als einen Tag. Na, da geben sie ner Polin paar Mark, sagt der mit dem Brillantohr. Frau M.s Polen sind über Pfingsten alle in Urlaub. In Polen. Das Sozialamt kann daran nichts finden.

An Stellen wie diesen schüttelt der junge Vermieter, der sonst nie etwas sagt, den Kopf und sagt: Ne Bombe reinschmeißen! oder: Alle erschießen! und lacht unterm Schnauzbart. Ein Ehepaar, auch mit Sohn erschienen, legt ein gutes Wort für die Asylanten ein. Sie seien mit den fünfen, die bei ihnen wohnen, immer gut ausgekommen. Ja, bestätigt die Frau mit dem ewigstummen Sohn, in dem Haus, in dem sie mit denen zusammenwohne, gehe es auch gut. Nein, schüttelt sich der mit dem Brillanten, wohnen mit denen, nie. Also doch ein Rassist?, erkundigt sich der Kleinvermieter verschmitzt. Nein, nein, nur, er habe den ganzen Tag mit diesem Volk zu tun, wohnen unter einem Dach, das, das ginge einfach zu weit.

Ja, man zerreißt sich für sich, und wofür, wenn man es recht bedenkt, sagt ein junger Vermieter. Er kann die aber auch verstehen, die der Welt bestes Sozialsystem anzieht. Alle anderen haben ja sowas nicht. Er hat den auf Asylverfahren spezialisierten Anwalt gleich unten im Haus praktizieren. Bei Frau M. aber, die es ihren Asylanten auch ein bißchen nett machen will, erkennt er sofort, daß sie zu sozial an die Sache herangeht.

Die Bildung einer Vermieter- Interessengemeinschaft schiebt sich noch. Die Frau mit dem ewig stummen Sohn erzählt unterdes von der Familie Alzein mit den 11 Kindern, wo die Frau immer das Persilwasser eimerweise auf den Teppichboden des Flurs kippte, immer druff und dann vorne die Marmorstufen des Patrizierhauses runter.

Im Geschoß drunter — da hatte ich noch ein paar Polen —, da lief das Wasser von den Wänden und die Tapeten kamen nach. Und als das Sozialamt nach einem Jahr ein Einsehen hatte und zusagte, die Alzeins in ein Hochhaus umzupflanzen, da hat sie sich das angesehen, und da hießen die alle Alzein und ein Dreck war da, ein Dreck!, und da hat sie erst gemerkt, daß das Zigeuner sind.

Und als sie denen die Sachen aus den Schränken geräumt hatte in Müllsäcke, da hatte unterdes der Junge eine dicke Schramme gemacht an den neuen Mercedes vor dem Haus. Und das Dollste, da standen die 13 und weigerten sich, in die Straßenbahn zu steigen und verlangten, ein Taxi bestellt zu kriegen. Obwohl die Frau mit dem Mercedes verschiedentlich warnte, „das ist nicht komisch“, die Anwesenden fanden das doch. Uta Stolle