Eimer scheppern nachts am schönsten

■ Konzert mit Freygang und I.T.C.H. im Eimer

Ob ich nicht wüßte, wie Johnny Rotten bei den Sex Pistols geheißen hat? Vielleicht , dachte ich, vielleicht meint der das ernst, der Moderator von deeteesixtyfour. Wer aus dem Eimer kommt, muß sich solchen Fragen stellen. Denn wenn er scheppert, dann richtig. Deshalb nur alle halbe Jahre dorthin, dann aber bis zum bitteren Ende. Mit der Furcht zu leben, daß die Decke einstürzt, daß das Klo dauernd besetzt ist, daß die Band völlig stoned auf die Bühne gerät: das heißt, im Eimer zu leben. Das hat Konsequenzen. Jeder verwaltet sich selber so gut er kann, und wenn alle gut können, dann hat's einen guten Abend. Einen wie diesen. Mit drei Bands, zwei davon angekündigt, eine davon mit Heimvorteil.

Die »Züri brennt Buben« ließen sich zu Hause auf den wunderhübschen Namen »I.T.C.H.« taufen. Wie alle gerade bekehrten jungen Menschen nehmen sie sich ziemlich ernst. Ich erinnere mich dumpf, daß während des Konzerts ein Wort die Runde machte: Psychotrash. Ich erläutere: Du fährst gerade im vollklimatisierten Rover durch die texanische Wüste, natürlich hörst du Ry Cooder. Dann kommt der Filmvorführer und knipst das Licht an. Da wirst du aber wütend. Da schreist du ihn aber an. Jedenfalls nimmst du dir das für das nächste Mal vor. Um dieses schockierende Erlebnis zu verarbeiten, beschließt du, Psychotrash zu machen. Also: Zu Black Sabbath seligem Angedenken aufspielend, machst du zur Lockerung ein paar Verbeugungen in Richtung SST. Oder umgekehrt. So entsteht Musik mit tragischer Dimension. Aber ist eine jugendliche Existenz in der Schweiz etwa nicht tragisch zu nennen?

Die vorher nicht angekündigte Band wurde von Freunden mit »Unsymmetrischer Tisch« oder so angeredet, hatte sich vom Berliner Symphonieorchester ganze Sätze von Streichern geborgt, die ein Stadttrommler aus dem Mittelalter zusammenhielt.

Doch der Eimer ist keine Kammer, der Eimer ist ein hohler Raum, in den ständig Licht gepumpt werden muß, um uns die Leere vergessen zu lassen. Freygang setzte sich dann locker auf den schiefen Tisch, rutschte in den Abend hinein. Nach erfolgreich abgeschlossener Frischzellenkur schien es zunächst, als ob die Ostberliner Authentizitätsrocker weiterhin eine Legende abgeben würden. Die genial überlängige Nummer von Can gab allen Anlaß, fest daran zu glauben, Sänger Andre hätte es nun gerafft: wenn schon Zeitreise, dann richtig gut. Mit der ehemals bei »Herbst in Peking« groovenden Rhythmuscrew, mit dem konzentriert an die Decke starrenden Gitarristen hätte eigentlich nichts schief gehen dürfen. Doch dann kam es wieder einmal anders. Schon nach der zweiten Nummer griff Andre voll ins Poesiealbum des Widerstands und schleuderte uns seine Angriffslyrik entgegen. Auf »Get out of my clouds« reimte er:»He, ich glaub dir schon lange nicht mehr«. Erbarmungslos griff er im falschen Augenblick zur richtigen Geige und fidelte alle Hoffnungen aus uns heraus. Baumgartner

I.T.C.H. heute abend, 21 Uhr noch einmal im Knaackclub, Greifswalder Straße.