Gipfeltreffen ohne Gorbatschow

Washington (taz) — Sorgfältig hatten sich US-Präsident Bush und sein Gast aus Bonn um das Thema herumgedrückt: Soll Michail Gorbatschow am Weltwirtschaftsgipfel im Juli in London teilnehmen oder nicht ? Laut 'New York Times‘ hat sich Bush entschieden — das Treffen in London wird voraussichtlich ohne den sowjetischen Staatspräsidenten stattfinden. Nun versucht man laut 'New York Times‘ dem Staatschef in Moskau dies nahezubringen, ohne ihn zu blamieren.

Für Helmut Kohl, der Gorbatschow gern in London gesehen hätte, war sein zweitägiger Trip nach Washington trotzdem ein „besonders erfolgreicher Besuch“. Der republikanische Kongreßabgeordnete Doug Bereuter verstand unterdessen nicht einmal, warum der deutsche Regierungschef überhaupt als erstes Gesamtkanzler-Kunstwerk über den großen Teich gekommen war. „Nein“ zu den amerikanischen Wünschen hätte der Kanzler auch von Bonn aus sagen können, schimpfte der Volksvertreter aus Nebraska.

Denn weder zu den von der Bush- Administration gewünschten Zinssenkungen noch zu den Streitpunkten bei dem immer noch ausstehenden Gatt-Handelsabkommen wollte Kohl Handfestes versprechen. Lediglich durch sein eindeutiges Bekenntnis zur Nato als unverzichtbarem Bestandteil auch einer neuen europäischen Sicherheitspolitik vermochte Kohl in Washington einige Gemüter zu beruhigen.

Dabei ist die neue amerikanische Unzufriedenheit mit Bonn Resultat einer oft widersprüchlichen Erwartungshaltung. Während in der weltpolitischen Sphäre — wie beim Golfkrieg — ein verstärktes globales Engagement der Deutschen verlangt wird, fordert man in der Wirtschaftspolitik die alte Loyalität und Unterwürfigkeit; ausgerechnet dort, wo sich das neue deutsche Selbstbewußtsein als erstes ausdrückt. Rolf Paasch