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Stasi-Erbe im Berliner Parlament

■ Abgeordnetenhaus debattiert über Stasis in eigenen Reihen/ PDS-Chef war „Inoffizieller Mitarbeiter“

Berlin (dpa/taz) — „Rechtsstaat und Stasi-Erbe“ war gestern das Thema der aktuellen Stunde im Berliner Abgeordnetenhaus. Differenzen gab es vor allem darum, wie eine eventuelle Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) überprüft werden soll.

Die Regierungsfraktionen CDU und SPD plädierten für einen vertraulichen Ehrenrat unter Vorsitz der Parlamentspräsidentin zur Überprüfung der Abgeordneten. Die Überprüfung kann nach ihrer Ansicht nur freiwillig erfolgen. Die Oppositionsfraktionen PDS, Bündnis 90/Grüne, FDP und die fraktionslose Gruppe Neues Forum/Bürgerbewegungen wollen dagegen eine obligatorische Überprüfung aller Abgeordneten durch einen Untersuchungsausschuß. Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky überreichte Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien die restlichen Einwilligungserklärungen der 101 CDU-Abgeordneten für eine freiwillige Überprüfung.

Die FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzende Carola von Braun warf den Koalitionsfraktionen CDU und SPD vor, sie betreiben mit der Einsetzung des Ehrenrates eine Vertuschungspolitik.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt wies den Vorwurf der Vertuschung entschieden zurück. Die SPD und ihre Vertreter hätten „nichts zu verbergen“. Die SPD-Fraktion werde deshalb in den zuständigen Ausschüssen auf eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit eines Untersuchungsausschusses und seines Auftrages bestehen, sagte Staffelt. Es dürfe „keinen späten Erfolg der Staatssicherheit über den demokratischen Rechtsstaat geben“.

Am Vortag war bekanntgeworden, daß der Berliner PDS-Vorsitzende und Berliner Abgeordnete Wolfram Adolphi von 1975 bis 1989 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hat. „Ja, ich habe im Rahmen meiner Arbeit als Journalist und Wissenschaftler freiwillig inoffiziell für die Verwaltung Aufklärung Analysen zur Lage in Ostasien erarbeitet“, sagte Adolphi, der eine Mitarbeit in der Staatssicherheit bisher bestritten hatte, in der gestern erschienen Ausgabe der PDS-Zeitung 'Berliner Linke‘.

Adolphi war als Wissenschaftler an der Asienwissenschaftlichen Sektion der Humboldt-Universität tätig. Von 1980 bis 1985 arbeitete der heutige PDS-Chef als Zeitungskorrespondent in Japan, von 1987 bis 1988 weilte er für Forschungsarbeiten in China.

Während dieser Zeit, so Adolphi, habe er Berichte an die Hauptverwaltung Aufklärung der Staatssicherheit geliefert, die für die Auslandsspionage zuständig war. Die Niederlegung seines Abgeordnetenmandats und seines Parteiamtes, faßt der Politiker nach eigenen Worten „gegenwärtig nicht ins Auge“. Dies hänge auch von der Meinungsbildung seiner Partei ab sowie von der Umgehensweise des Abgeordnetenhauses mit dem Thema Stasi.

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