Des Malers Reise ins All ohne Wiederkehr

■ Eine Ausstellung des Zeiss-Planetariums zeigt auf über 400 Zeichnungen den Weg eines Raumschiffs in das Sternbild des Schlangenträgers

Steglitz. Science-fiction-Bücher sind Vitamine für die Phantasie. Sie liefern entfernte Galaxien als fiktive Spielplätze für Gemüter, die mit der Erdwirklichkeit nur noch Langeweile verbinden. Oft bleibt die Weltflucht eine intellektuelle Einbahnstraße, manchmal aber ist sie Geburtshelfer phantastischer Ideen.

Gunter Baumgart, Jahrgang 45, Maler aus Berlin, ist es so ergangen. Er hat sie alle durch, die Schmöker, die von der Zukunft erzählen. Nach seiner ersten Begegnung mit der dritten Art ließ ihn eine Idee nicht mehr los: eine intergalaktische Reise über mehrere Generationen in einem Raumschiff, in dem, weil 250 Jahre unterwegs, Lebensbedingungen herrschen müßten, die denen auf der Erde gleichen.

Nun ist die Idee nicht neu, und wohl jeder kann dazu Vorschläge und Überlegungen zum besten geben, die locker von der Zunge kommen, weil beim gemeinsamen Ausspinnen einer entfernten Zukunft eher die blühende Phantasie als die Realisierung derselben im Mittelpunkt steht. Baumgart wollte genau dieses Dilemma überspringen und seine Idee so präsentieren, daß zumindest theoretisch eine Realisierung möglich erschien. Zehn Jahre brütete er über komplizierten mathematischen Berechnungen, Problemen der Astronomie und der Physik, und seit gestern sind die Ergebnisse im Zeiss-Planetarium ausgestellt.

Reise ohne Wiederkehr nennt er die Ausstellung. Es geht um ein Unternehmen, welches in das siebzehn Lichtjahre entfernte Sternbild des Schlangenträgers führt und dessen Protagonisten, die er »Geonauten« nennt, als Ziel ihrer Reise die Urbanmachung eines neuen Planeten haben. In den Überlegungen von Baumgart ist dieser Planet ein fiktiver, auf dem Bedingungen herrschen, die denen der Erde im Karbonzeitalter vor 350 Millionen Jahren entsprechen. Der Planet selber kann fiktiv sein: Baumgarts Überlegungen sind eigentlich ein klassisches Beispiel für die Weltanschauung die da lautet: »Der Weg ist das Ziel«.

Transportmittel sind drei Raumgleiter, die in ihren Ausmaßen wahrhaft kosmische Züge tragen. Konzipiert für ca. 300 Menschen ist das Mutterschiff fünf Kilometer lang und 130 Meter breit. Baumgart nennt es ein »Ringweltraumschiff« da seinem Plan ein Ringsystem zugrunde liegt. Aus einhundert halbrunden Segmenten, die aus Titan bestehen, setzt er das Raumschiff zusammen, in dem die natürlichen Bedingungen herrschen die der Fauna und Flora entlang des fünfzigsten Breitengrades auf der Erde entsprechen.

Das heißt, ein komplettes, in sich geschlossenes Ökosystem fliegt da durch Raum und Zeit und wird von Menschen betreut und gehegt, die selber in der zweiten oder dritten Generation in dem Ringraumschiff geboren sind.

In bewundernswerter Akribie hat Baumgart in 400 graphischen Zeichnungen die detaillierte Konstruktion seines Ringweltraumschiffes zu Papier gebracht. Sämtliche Berechnungen über notwendige Beschleunigung, Gewicht, Masse, Zeitverschiebungen hat er in jahrelanger Selbstbeschäftigung mit dem Thema erstellt und gelöst.

Auf dem Papier gehen alle Rechnungen auf. Mag sein, daß das nicht viel ist, aber immerhin mehr, als man nach dem Lesen von Science-fiction- Büchern erwarten kann. Torsten Preuß

Zeiss-Planetarium, Munsterdamm 90, täglich, außer Mo. v. 10 bis 19.00 Uhr.