Tanz den Klezmer

■ Der New Yorker Klarinettist David Krakauer im Checkpoint

Es gibt ja sehr angenehme Arten, ein Wochenende ausklingen zu lassen. Nach all den Anstrengungen wie Wandern, Kuscheln, Kanufahren ist eine gute Stunde guter Musik beileibe nicht die schlechteste. Zum Beispiel mit dem Soloklarinettisten David Krakauer. Das wohl bekannteste Unternehmen, an dem der New Yorker Musiker beteiligt ist, dürften die »Klezmatics« sein. Er selber beschäftigt sich seit gut drei Jahren mit Klezmer, der Festtagsmusik der osteuropäischen Juden. Im Bereich der klassischen Musik, des Jazz und der Avantgarde ausgebildet, spielte sie für ihn bis zu diesem Zeitpunkt keine große Rolle. Erst bei näherem Hinhören wurde dem jüdischen Musiker die enge Verbindung von Klezmer mit seiner Kultur, seinem Naturell deutlicher: »Auch in meinen eigenen Kompositionen arbeite ich mehr körperbezogen als intellektuell.« Da gibt es festgelegte Strukturen, über die er dann improvisiert — dieses Spielmodell ist gar nicht so neu, in der Volksmusik gab es das immer.

Seine Hände, sein Atem beseelen sein Instrument. Das ist es wohl, was das etwas antiquierte Wort von der Meisterschaft ursprünglich meinte. Dieser Mann beherrscht seine Klarinette. Doch nicht das macht seine Musik hörenswert. Finger- und Atemtechnik setzt er ein als Mittel zum Zweck. Nicht um dem staunenden Publikum zu zeigen: Hört mal, was ich alles kann. Nur Künstler kommen ohne den falschen Zungenschlag des Gekünstelten aus — Krakauer setzt ganz auf die Musik und liegt damit richtig. Ob er sich ins Merengue Mobile schwingt und durch die Straßen von New York saust, ob er die Schrecken des Holocaust erinnert wie in Death March— immer bleibt spürbar, mit welcher Energie er sich seinen Themen zuwendet.

Als Krakauer dann im zweiten Teil der guten Stunde, verstärkt durch das Akkordeon seines Kollegen Alan Bern, zum Klezmer Dance Medley aufspielt, wippt so mancher Fuß freudig erregt. »Für mich ist es wunderbar, Musik zu spielen, zu der die Leute tanzen können. Auf die Dauer wirkt doch die sogenannte ernste Musik einschläfernd, da sitzen alle rum, nur Kopf, kein Körper.« Mit Freude beobachtet der temperamentvolle Klarinettenmeister, daß sich viele klassisch ausgebildete Musiker in seiner New Yorker Umgebung auf die Suche nach Alternativen zum Blattspiel begeben. Sie hätten genug davon, immer nur das gleiche zu spielen, und beschäftigen sich nun verstärkt mit Musik aus aller Welt.

Er selber habe die letzten zehn Jahre reichlich in der „downtown scene“ mitgemischt, habe dort viel gelernt. Doch immer nur Experimente mit Avantgarde-Anspruch, das sei nicht sein Ding. Die Auseinandersetzung mit Klezmer habe da auch eine reinigende Wirkung gehabt. Dabei ging es ihm nicht darum, einfach nachzuspielen, was von diesem musikalischen Idiom seit den zwanziger Jahren auf Schallplatte dokumentiert wurde. Andere haben das, was er da tut, mit „Avant-Klezmer“ bezeichnet.

Das Sonntagnachmittag-Publikum war jedenfalls sichtlich angetan von Krakauers Interpretationen. Mit ihrem dreißigsten (!) Konzert dieser Reihe gastierten die »Freunde Guter Musik« in der Leipziger Straße. An den Abenden wird hier ein opulentes Fleischfilmmahl gereicht (Russ Meyer meets deutsche Kettensägen), doch bei Sonnenschein besehen entpuppt sich der schwüle Club als das, was er eigentlich ist: ein nettes, großes Wohnzimmer. Wie geschaffen für Konzerte dieser Art. Originalton der »Freunde«: »Wir kommen wieder.« Und das war durchaus nicht als Drohung gemeint. Baumgartner