GASTKOMMENTAR
: Idealistische Politik Israels

■ Die israelische Luftbrücke zur Rettung der „schwarzen Juden“ aus Äthiopien

Israel ist kein Staat wie alle anderen. Wer dafür noch einen Beweis brauchte, der bekam ihn am letzten Samstag. Binnen 36 Stunden hat Israel etwa 15.000 Falaschen, äthiopische Juden, „in die Heimat“ gebracht. Sogar der Sabbat wurde — mit Zustimmung der Rabbiner — „entheiligt“, um die Operation Salomon zu ermöglichen, denn es ging um die Rettung von Menschenleben. Die barfüßigen Nachkommen von König Salomon sind in das Land ihrer Vorfahren zurückgekehrt. Der Gründungsmythos des Staates Israel hatte sich noch einmal bewährt. 1939 hatten 937 jüdische Flüchtlinge versucht, an Bord der „St. Louis“ einem vorbestimmten und grausamen Tod zu entfliehen. Die St. Louis verließ Hamburg und wanderte monatelang erfolglos von einem Hafen zum anderen. Am Ende mußten sie zurück, und fast alle wurden von den Nazis ermordet.

Seit der Gründung des Staates Israel 1948 gibt es keine heimatlosen jüdischen Flüchtlinge mehr. Sie alle haben eine Heimat, ein Schutzgebiet, wo sie aufgenommen werden, gleich, woher sie kommen, wie alt und krank sie sind, und ohne Quotierungen. Dafür existiert Israel, der einzige Staat, der alle Weltereignisse durch die jüdische Brille sieht.

Bis 1994 erwartet man in Israel etwa eine Million armer Einwanderer aus der Sowjetunion. 150.000 Einwanderer werden alte Menschen sein, die in Israel keinen Tag arbeiten, jedoch vom Staat unterstützt werden, nur weil sie einen Schimmer von Judentum erhalten haben. Für Israel wird es bedeuten, schätzt man, daß die Arbeitslosigkeit um 20 Prozent steigt. Zehntausende von Akademikern werden sich einen neuen Beruf suchen müssen. Sie putzen die Straßen, nur weil es die des Gelobten Landes sind, wo kein Antisemitismus herrscht.

In Deutschland, wo zufrieden vermerkt wird, daß die Zahl der Aussiedler heruntergeht, kann man die unproduktive Einwanderungspolitik Israels nicht verstehen. Aber sie ist logische Konsequenz des zionistischen Staatsideals. Und genauso erklärt sich die „Sehnsucht“ Israels nach den 269 „verlorenen Kindern“, also den während der Golfkrise aus Israel nach Berlin gekommenen sowjetischen Juden. Sogar zur Finanzierung der Einreisekosten nach Israel war man in Jerusalem bereit, obwohl diese Gruppe keiner direkten Gefahr ausgesetzt ist, trotz der angeblich antisemitischen Bemerkungen mancher Politiker der Grünen. In Bonn könnte man sich auf 269 freie Plätze in den Asylantenheimen freuen und wäre bereit, diese Juden auch mit Gewalt aus Deutschland abzuschieben. Darüber sollte man sich in Jerusalem große Sorgen machen: für Israel ist Deutschland kein Staat wie alle anderen. Igal Avidan

Der Autor arbeitet als Korrespondent für israelische Zeitungen.