Moderne SPD mit Bodenhaftung

Der neue Parteivorsitzende Björn Engholm und sein Geschäftsführer Blessing wollen die SPD abstauben/ Abwartende Haltung in der Partei/ Parteistruktur im Osten soll endlich aufgebaut werden  ■ Von Tina Stadlmayer

Bonn (taz) — „Handwerker, Techniker, Betriebsrätinnen, Wissenschaftler, Künstlerinnen und Unternehmer“ wollen sie für die SPD gewinnen. „Modernisierung mit Bodenhaftung“ ist das Ziel des neuen Parteivorsitzenden Björn Engholm und seines Geschäftsführers Karlheinz Blessing. Die Quadratur des Kreises?

Vor wenigen Wochen präsentierte Björn Engholm in Bonn seine Pläne, wie er die alte SPD in Schwung bringen will: „Der Vorsitzende wird die SPD führen — nicht autoritär, aber bestimmt“, drohte er an. Von seinen Mitarbeitern forderte er „Loyalität“, und daß sie sich „nicht verzetteln“. Die Spitzengremien der Partei wolle er verkleinern und den Einfluß der Mitglieder und der Ländervertreter vergrößern. Die traditionellen Parteikommissionen sollen in zeitlich befristete „Projektteams“ umgewandelt und „Seiteneinsteigern“ eine „gute Perspektive“ geboten werden.

Schöne Worte, „typisch Engholm“, war die erste Reaktion vieler in der SPD-Zentrale. Und: „Mal sehen, was draus wird.“ Die Stimmung im Bonner Erich-Ollenhauer-Haus war jedenfalls in den letzten Jahren ziemlich schlecht. Häufig wechselten die GeschäftsführerInnen, jedeR brachte ein paar neue Mitarbeiter im Schlepptau mit. Nicht wenige wählten beim nächsten Chef-Wechsel die innere Emigration, beteiligten sich nicht mehr an den aktuellen Debatten. Blessings Vorgängerin Anke Fuchs wird nachgesagt, sie habe in erster Linie für Chaos gesorgt.

Auch der scheidende Vorsitzende Hans-Jochen Vogel sorgte mit seiner peniblen und autoritären Art nicht gerade für gute Stimmung. Das Verhältnis zwischen Parteivorstand und Fraktion ist zerrüttet. Eines jedoch eint beide Gremien: sie werden regelmäßig von den Landes- und Bezirksverbänden angepinkelt. Die werfen ihren Partei-Oberen „Abgehobenheit“ und „Kungelei mit den Regierungsparteien“ vor. Das größte Desaster aber herrscht im Osten. Dort hat die SPD immer noch nicht richtig Fuß gefaßt, von einer funktionierenden Parteistruktur ist sie meilenweit entfernt.

Der neue Vorsitzende und sein Geschäftsführer müssen also erst mal einigen Schutt beiseite räumen, bevor sie sich an die „Modernisierung“ machen können. Karlheinz Blessing stöhnt über die Hinterzimmer-Mentalität der meisten Ortsvereine. Wie er sie aufpeppen könnte, weiß er auch nicht so recht. Björn Engholm sprudelt in vielen Zeitungsinterviews vor guter Ideen: Man müsse Diskussionen organisieren, den politischen Gegner einladen, Konzerte und Theaterstücke auf die Beine stellen. Bleibt die Frage: Wie will er das seinen Leuten verklickern?

Auf dem Bremer Parteitag wollen die SozialdemokratInnen heute die „Organisatorische Erneuerung und Modernisierung der SPD“ diskutieren und beschließen. 42 Thesen stehen zur Abstimmung. Kleine Kostprobe: „Das Profil der SPD als moderne linke Volkspartei schärfen“, „Die Partei arbeitet oft zu selbstbezogen“, Mandatsträgerinnen brauchen mehr Zeit, „11.000 Ortsvereine sind nicht genug“, „Die SPD braucht neue Funktionärinnen“, „Frauen müssen die Partei stärker repräsentieren“, „Wir brauchen familienfreundliche Arbeitsstrukturen in der SPD“, „Viele Mitglieder aber auch Funktionäre zahlen nicht den satzungsgemäßen Beitrag“. Zum Thema „Parteiveranstaltungen müssen lebendiger werden“ heißt es dann selbstkritisch: „Die vielen, vielen Politikkleinthemenprofessoren müssen nicht ständig Selbstdarstellungsbühnen in der Partei erhalten.“ Nicht jedes „technische Detail der neuen Kleingartenanlage inklusive aller Zivilschutzmaßnahmen“ müsse erklärt werden. Unter Punkt 11 wird der „Idealtypus des neuen Funktionärs“ beschrieben: „Er ist ein überzeugter Sozialdemokrat, besitzt organisatorische Talente, ist gegenüber Menschen und Problemen aufgeschlossen, in der Gesellschaft verankert und geht auf die Leute zu.“ Wie viele solche Supermänner (von Frauen ist nicht die Rede) die SPD wohl braucht, um in Schwung zu kommen?