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Krach um Daimler-Standortentscheidung

■ Infoveranstaltung: Ludwigsfelder sehen sich wegen Entscheidung für Ahrensdorf um Gewerbesteuereinnahmen gebracht

Ahrensdorf. Die kürzlich verkündete Entscheidung der Daimler Benz AG, ihr geplantes Montagewerk für Lastwagen am Rande der 380-Seelen-Gemeinde Ahrensdorf zu errichten, bringt sowohl Betroffene als auch Umweltschutzgruppen auf die Palme. Dies zeigte sich auf einer Informationsveranstaltung über einen Bebauungsplan für das Automobilwerk, zu der die Gemeinde Ahrensdorf geladen hatte. Auf der Veranstaltung in der Gaststätte »Deutsches Haus« ging es vor allem bei der Frage möglicher millionenschwerer Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinden hoch her. Eine Ludwigsfelderin: »Es kann nicht sein, daß sich ein Dorf mit nur 380 Einwohnern den Kuchen abschneidet!« Das war wiederum das Stichwort für einen Ahrensdorfer: »Ludwigsfelde hat versucht, Ahrensdorf schon 40 Jahre zu unterdrücken, und jetzt soll das schon wieder losgehen!« Die Ahrensdorfer Bürgermeisterin Martina Borgwardt (parteilos) verwies demgegenüber auf die versprochenen 4.000 bis 5.000 neuen Arbeitsplätze, die schließlich allen zugute kämen.

Vielleicht könne man über einen im Entstehen begriffenen Interessenverband die anderen Umlandsgemeinden durch bestimmte Ausgleichszahlungen »an unserem Luxus teilhaben lassen«, so die Bürgermeisterin auf taz-Nachfrage.

Der Standort Genshagen vis-à-vis dem von Daimler übernommenen früheren IFA-Werk Ludwigsfelde galt in den Augen des brandenburgischen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung noch bis zum Frühjahr als ein »Vorzugsstandort«, erläuterte eine Vertreterin. Laut dem Regierungskoordinator für das Projekt, Klütz, war es jedoch nicht kurzfristig zu schaffen, alle Eigentümer zum Verkauf ihrer Grundstücke auf der vorgesehenen Fläche von gut 100 Hektar zu bewegen. Auch sei Ludwigsfelde bereits mit anderen Investoren im Gespräch. Weiter erwähnte Klütz als Ablehnungsgrund die Probleme, die durch den künftigen Ausbau der Eisenbahnstrecke Berlin-Leipzig oder durch eine neue Bundesfernstraße sowie eine Hochspannungsleitung in dem Bereich entständen.

Dem neuen Werksgelände Ahrensdorf müßte ein idyllisch um Kiesseen herum gelegenes Naherholungsgebiet weichen. Die Grüne Liga und der Brandenburgische Landesheimatbund fürchten, daß der sogenannte Nuthe-Nieplitz-Graben mit seinen zahlreichen Vogelbrutbiotopen darüber hinaus zumindest leidet. Nach der Stimmung im Deutschen Haus zu urteilen, drückt die Ahrensdorfer freilich die Arbeitslosigkeit augenblicklich mehr als der Umweltschutz.

Das von der Ahrensdorfer Gemeinde mit der Bauleitplanung beauftragte Frankfurter Büro Albert Speer & Partner hat inzwischen allerdings in Sachen Umweltschutz eine ganze Riege von Fachgutachtern eingesetzt, die sich auf der Veranstaltung einzeln vorstellten. Sie sollen dafür sorgen, daß von dem Lkw-Werk nur geringe Lärm- und Schadstoffemissionen ausgehen. Schon in den nächsten Tagen will man sogar UV-Luftbilder von dem Standort anfertigen lassen, um anhand der sichtbar gemachten Kalt- und Warmluftzonen eine möglichst günstige Anordnung der Werksgebäude vorschlagen zu können. Sämtliche der Gutachter werden, wie es hieß, aus der Ahrensdorfer »Gemeindekasse« bezahlt. Das sei auch anderenorts »völlig üblich«. Um die Gemeindekasse erst einmal zu füllen, will Ahrensdorf vom Daimler- Konzern im vorhinein Beträge für Erschließungskosten abfordern, wie es übrigens auch der Gesetzgeber vorgesehen habe. Voraussichtlich bereits im September rechnen die Ahrensdorfer Gemeindevertreter mit der Vorlage der fertigen Bebauungsplanunterlagen. Nach den Plänen der Konzernleitung von Mercedes werden die ersten Lastwagen dann ab 1994 in Ahrensdorf von den Bändern rollen. Thomas Knauf

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