Standbild: ZDF will uns unsere Autos wegnehmen

■ "Verkehrsinfarkt", ZDF-Spezial, Dienstag 19.30 Uhr

Menschenopfer für Mobilitätswahn“, „autosüchtige Verbrennungsgesellschaft“, „Dreckschleuder Automobil“, „Autokalypse“, „Gehirnstau“, „Wahnsinn mit Methode“, „stinkende Kolonnen“. Diese schönen Zitate stammen nicht von der Bürgerinitiative „Militante Radler Kreuzberg“, sondern vom ZDF.

Ausgestrahlt zur besten Sendezeit als Sondersendung unter der Überschrift „Verkehrsinfarkt“. Schärfer, radikaler, besser als diese Kritik an der Autogesellschaft vor allem im ersten Teil (Ulli Rothaus) war, kriegt das niemand hin.

Reichlich spät zwar, aber dann mit Wucht und Schmackes. Bis hin zum tränendrüsenreizenden Agitprop mit einem süßen kleinen Teddybär, der, auf der Straße von einem Kind verloren, symbolisch unter die Räder kommt, zermalmt und zerfressen von der Bestie Auto. Prima. Selbst über das Reißnägelstreuen durfte laut und öffentlich-rechtlich nachgedacht werden.

Das Dilemma wurde pointiert und eindringlich beschrieben: Die Seuche der Brummer, die in immer größerer Zahl zum „Nachtsprung“ ansetzen, damit die Ware „just in time“ am nächsten Morgen verfügbar ist; die wenig attraktive Bahn, die seit Jahren ihrem Schuldenberg hinterherfährt und in Bayern mal wieder 106 Güterbahnhöfe schließen will; die PS-Machos in der Autoindustrie und die Zubehör-Erotik der Manta- Fahrer; die Gesellschaft, die die Zeche zahlt. Zu großer Form lief dabei Kaberettist Bruno Jonas auf. Kostproben: „Was habe ich denn von der Natur, wenn ich kein Auto habe?“ „Ich fahre möglichst schnell, so fahre ich den Unfällen davon und komme als Unfallpartner nicht mehr in Frage“. Oder: „Wir brauchen lautere Motoren, dann wäre schon manches Kinderleben gerettet worden.“

Als Antwort auf die Verkehrskrise hatte man das Elektro- und Ökomobil anzubieten, das Beispiel der Stadt Zürich, eine Utopie von der autofreien Stadt und fünf Experten im Studio, davon einer immerhin ein „Systemdenker“ (Frederic Vester). Die zentrale Forderung nach einem Einstieg in die Mengenpolitik beim Auto, nach heftiger Besteuerung für Zweitwagen, nach konsequenter Durchsetzung des Verursacherprinzips kam sicherlich ein wenig zu kurz, aber selbst die alte taz-Forderung, daß der Liter Sprit eigentlich fünf Mark kosten müßte (wenn man die gesellschaftlichen Kosten des Autos von mehr als 200 Milliarden Mark umlegt), wurde vom ZDF locker übertrumpft: Sie verlangten sechs Mark. Was soll man da noch kritisieren? Nichts mehr. Vielleicht die Schachtelsätze von Verkehrsminister Krause (Motto: Wir haben beschlossen, daß es gut werden soll.) und die etwas erschöpfende Länge der Sendung von mehr als zwei Stunden, zumal im Ersten anschließend auch noch Tatort-Kommissar Palu auf uns wartete. Das ist der mit dem Fahrrad. Glänzend, wie er sich durch den Auto-Stau wühlte. Manfred Kriener