Im Krieg zwischen Klüngel und Konzeption

■ »Orlog — Faustrecht der Kunst« bei billboard artspace

Karas, Karsch, Woina, Harab, Yang, Comhraig, Bellum — es gibt tausend Wörter für den Krieg. »Orlog«, vom indogermanischen Wurzelwort urlac, ist eins von ihnen. »Orlog — Faustrecht der Kunst« nun ist eine Gruppenausstellung von sieben Berliner KünstlerInnen, die von »Dr. Krank« vor vier Monaten konzipiert und geplant worden ist.

Das Wort »Krieg« gehört zu den wenigen Begriffen, die in den bekannten Schriften aller Kulturkreise eine direkte Entsprechung haben. An diesem Beispiel zeigt »Dr. Krank« die ständige und fortschreitende Vernichtung des Imiganinären, d.h. Bildhaften, durch die Übermittlung von Informationen mit »denotierenden Buchstaben«. Die ausgestellten Werke nun sollen die Schriftvariationen der einen Bedeutung »Krieg« interpretieren. Dieser »omnipotente Grammazentrismus« soll mit der Ausstellung durchbrochen werden, indem das Zeichen Krieg dem »sprachlosen Bild« gegenübergestellt wird. Dazu ist jedem beteiligten Künstler ein bestimmter Sprachraum zugeordnet und mit den entsprechenden Schrifttafeln ausgewiesen worden. »Dr. Krank«: »Die Schrift schreibt sich als »Krieg«, die Bilder zeigen sich darin. Der Krieg der Bilder spiegelt sich in den Bildern des Krieges.«

Aber so ansprechend die Konzeption der Gruppenausstellung auch ist, sie hat nicht mit dem avantgardisierenden Narzismus der Künstlerpersönlichkeiten gerechnet. Denn kaum einer der Möchtegern-Underdogs berlinerischer Kunstszene deutet an, daß er sich mit seinen ausgestellten Werken auf die Konzeption der Ausstellung bezieht.

Florian Trümbach, der als Nitsch-Schüler durch mehrere Blut- und Wachs-Performances bekannt geworden ist, inszeniert in grellem Scheinwerferlicht drei Post-Performance-Gegenstände: einen mit schwarzer Farbe übergossenen Gartenzwerg und zwei zerbrochene, mit farbig vertrockneten Resten gefüllte Longdrinkgläser. Stefan Hoenerloh präsentiert vier Bilder neueren Datums, die in faszinierendem Hyperrealismus heruntergekommene Häuserfassaden zeigen. Einzige Veränderung zu früheren Arbeiten Hoenerlohs ist die weiß oder schwarz monochrome Fläche, die bei zwei der vier Ölbildern auf Holz die penible, gelb-graue Ausgestaltung der Himmelslandschaft ersetzt. Conus Rector, der im übrigen auch die Theke von billboard artspace entworfen hat, zeigt ebenso präzise gearbeitete Metallobjekte, auf denen entweder schwarz lackierte Schlümpfe oder gold lackierte Engel kleben. Marc Jean Pierre, alias Jan Petrovich, alias Maria & Mao stellt einen düsteren Schrein zur Schau, dessen Reliquien aus rostigen Fundstücken gebastelt worden sind. Die Marienstatue wird durch eine hockende Figur mit stierähnlichem (Do you know: 6-6-6) aus angebranntem Montageschaum und Schaumstoff substituiert. Die Insignien der Göttlichkeit sind ein flackernder Neonröhrenheiligenschein und eine graue Elastebombe, die anstelle eine Jesukinds im Arm der Figur liegt. Von Jörg Weyrich schließlich, Anlaß der Ausstellung und post mortem auch Mitaussteller, werden mehrere Assemblagen mit Stacheldraht, Sprühlackfarbe und Kinderpuppen gezeigt.

Kathrin Reuter und Marc Hammer nähern sich schon eher der Ausstellungskonzeption. Reuter stellt blutrote Farbfotos von silbrig lackierten Plastsoldaten vor, auf deren Rahmen entweder Haare oder Erde kleben. Hammer bezieht sich direkt auf den ihm zugeordneten baltischen Sprachraum, indem er die Schriftzüge »karsch« und »kara« in seinen beiden Filzstiftzeichnungen als Fabrikatsemblem der Zeichnung einer Nähmaschine und eines Küchenmixers einsetzt.

So fällt nur Nils Grossien mit seinen beiden Objekten auf. In einem weißen Kinderbett ruht ein schwarzer, mit Gummiprofil beklebter Kasten, der den gesamten Raum des Bettes ausfüllt. Von Tonband ertönen in Endlosschleife aus dem Kasten martialische Rufe und das dumpfe Dröhnen von Soldatenstiefeln. Die beklemmende Enge dieser Klanginszenierung wird durch ein bonbonfarbenes Kirmesherz durchbrochen. Auf dem Herz steht in arabischer Schrift nicht »In Liebe«, sondern »herab«, Krieg. Mit ähnlichen Mitteln arbeitet das zweite Objekt, das nur aus einem im Briefkasten steckenden Tonband besteht. So untergründig ist die Lautstärke, daß erst bei intensivem Zuhören erkennbar ist, daß es sich hierbei um Kriegsreden Hitlers, Göbbels, Stalins handelt.

»Das Unbekannte ist die Sprache, die man nicht versteht. Und es sind die Bilder, die zwischen den Sprachen übersetzen.« Schön wäre es gewesen. Jürgen Peters

bis 5. Juni, Waldemarstr. 37, 1-36, Di-Fr 16-21, Sa/So 15-21 Uhr