Muff von 1.000 Hallen

■ Das Flair von Bundesjugendspielen über den Deutschen Hochschulmeisterschaften

Wenn die Kopfarbeiter um den Lorbeer ringen, ist es nur konsequent, wenn vorher viel geredet wird. Also statten zur Eröffnung der Deutschen Hochschulmeisterschaften gleich vier Redner dem Anlaß ihren Dank ab: Dank Hochschulsportwoche darf ein Kultusministerialer sprechen. „Dank Dir, Hochschulsportwoche, dafür, daß Du wieder bei uns bist“, deklamiert der Bürgermeister. „Dank, oh Duisburg, du Stadt des Hochschulsports“, verneigt sich ein Jüngling des Hochschulsportverbandes. Danke fürs Rederecht, denkt sich Duisburgs Hochschulrektor und wird als Physikforscher ernsthaft komisch: „Wetten, daß ein Kurzstreckler es schafft, durch einen Looping zu laufen?“

Gemach, gemach! Wetten, daß 3.000 Studierende aus knapp 150 in- und ausländischen Hochschulen innerhalb von sechs Tagen in zehn Disziplinen ihren Strauß ausfechten und keine Siegerin, kein Sieger mehr erhält als eine rote Rose nebst etwas Blattgrün? Die Wette gilt, und Duisburg hat gewonnen, viel Geld gespart und sich mit Ruhm bekleckert. Zwar liegt der Muff von tausend Turnhallen über den sich zur Nacht bettenden Studi-Sportlern, dräuend liegt am Tag über den Wettkämpfen das Flair der Bundesjugendspiele. Aber es sind ja welche. Schlagballweitwurf exklusive.

Einen weiteren Unterschied repetieren die Hochschulsportler so beharrlich, wie sich früher mancher Dozent zur FDGO bekennen mußte. Hochschulsport ist unter anderem Breitensport. Und Hochschulsport ist vor allem Bewegungskultur. Eine aktualisierte Paraphrase des Jahnschen Paradigmas also: nicht frisch, aber fit. Nicht fromm, sondern frech. Nicht fröhlich, bisweilen komisch. Frei sowieso nicht.

Niemand verdeutlichte dies akkurater als stockfechtkundige Studierende der Sporthochschule zu Köln während eines Bewegungskulturabends. Die Streetfighter auf Übungsleiterniveau führen Nahkampftechniken auf und bedienen sich außer ihres indonesischen Kampfstocks auch noch anderer gefährlicher Nahkampfwaffen. Mit Frisbeescheiben, Kugelschreibern und Rucksäcken legen sie die stockbewehrten Angreifer aufs Kreuz. Das Publikum aus Weihenstephan, Zittau, Eastern Kentucky und anderswo ist davon begeistert, manch einer verleiht seiner Begeisterung durch Tragen des offiziellen T-Shirts Ausdruck. „Hochschulsport ist tierisch“, steht darauf. Die Giraffe hat die Startnummer sieben, sie sprintet gegen den Elefanten an.

Bedächtig gezogen wird dagegen beim Schachturnier. Schach gilt seit jeher Studikern in Ost und West als Sport, nur daß die Wessis das Fach nicht studieren können. In Sichtweite der Fußballspielerinnen, die sich auf dem Kleinfeld im Siebenerteam das Ei zuschlenzen, qualmen die Köpfe der Eggheads. Wer sich als Zuschauer in den Turnierraum verirrt, hat erstmal das Brett vorm Kopf. Den Spielmodus zu durchschauen verlangt Geistesarbeit. Noch anstrengender wird es für die mehr als 200 Teilnehmer des Schachturniers sein, sie spielen vom ersten bis zum letzten Tag der Hochschulsportwoche. Im Schweizer System: Die jeweils Besten einer Mannschaft treten gegeneinander an. Nach 40 Zügen in den ersten zwei Stunden kann die Partie dauern, die Mannschaftsspieldauer beträgt bis zu zehn Stunden am Tag. „Ziemlich stressig“, sagt ein Mitglied der Münsteraner Favoritenmannschaft, „bis jetzt habe ich über zwei Kilo abgenommen.“

Dagegen ist Schwimmen ein Rotz Wasser. Die 40 Finals werden an einem einzigen Tag abgewickelt, auf den Endlauf folgt die Siegerehrung, in einer Viertelstunde gibt es davon jeweils vier. Die Sonne scheint aufs Freiluft- Schwimmstadion und nach dem Wettbewerb gehen sie barfuß auf die Liegewiese. Oder feuern begeistert klatschend und ratschend ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen an, dieweil sie mit breitem Grinsen die berüchtigtste Hymne der Sportwelt goutieren: „Wir sind alle in diesen Tagen im Wettlauf mit der Zeit. Wir fühlen unsere Stärke und wir wissen, das Ziel ist nicht mehr weit.“ Thomas Meiser